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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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durch die verschneite Pracht.
    Vor dem Restaurant Sommereck unweit seiner Wohnung stieg er aus und ging hinein. Edi, der Wirt, saß am Stammtisch, ein ehemaliger Seemann, der in der Karibik als Koch auf einem Dampfer gearbeitet hatte; Walti, ein Gitarrenlehrer, der dauernd mit seiner Galle zu kämpfen hatte; der Möbelantiquar Beat, der nebenan seinen Laden hatte, den er aus Haushaltsauflösungen bestückte.
    Hunkeler setzte sich zu ihnen. Es war ihm wohl hier, er konnte sich an diesem Tisch erholen wie sonst nirgends. Der hell geschrubbte Buchenholztisch, der Ölofen mit dem langen, schwarzen Rohr, die Uhr an der Wand, die mit dunklem Klang die Stunden schlug, das alles war von einer handfesten, beruhigenden Wirklichkeit. Und ebenso waren die Gespräche, bedächtig, mit langen Pausen. Sagte einer etwas, hörten die anderen zu. Es wäre keinem eingefallen zu unterbrechen, man ließ jeden ausreden. Und aus der Musikbox kam die Musik, die Edi aus der Karibik mitgebracht hatte, vielstrophige Lieder im immer gleichen Rhythmus, gesungen in Englisch oder Spanisch von Sängerinnen und Sängern, die nie bekannt geworden waren, einfache, schöne Poesie, »Working for the Yankee Dollar, yeah«.
    Erika Waldis lag wach im Bett, die Hände unter dem Kopf verschränkt. Sie hörte die Fräsmaschine aus der Schreinerei im Hinterhof, die wenige Minuten zuvor eingeschaltet worden war, sie hörte Erdogans regelmäßiges Schnarchen. Eines seiner Beine lag über ihrem Schoß, den rechten Arm hatte er über ihre Brust gelegt. Wie ein Kletteräffchen, dachte sie, wie ein kleiner, hilfloser Junge.
    Sie hatte schlecht geschlafen diese Nacht, sie war immer wieder erwacht und hatte an die Diamanten gedacht, die auf dem Tisch nebenan lagen. Sie mochte diese Steine überhaupt nicht. Einige Male hatte sie überlegt, sie jetzt sogleich ins Klo zu werfen und hinunterzuspülen. Aber sie wusste, dass das einen Riesenstreit nach sich ziehen würde. Und Streit mochte sie noch weniger.
    Sie hatte beschlossen, sich in ihr Schicksal zu fügen, sie hatte keine Wahl. Die Diamanten waren nun einmal aufgetaucht, und Erdogan würde sich nie und nimmer freiwillig von ihnen trennen. Das war klar. Ebenso klar wusste sie, dass diese blitzenden Steine mit ihrem bläulichen Feuer in der nächsten Zeit ihr Leben bestimmen würden, ob sie damit nun einverstanden war oder nicht. Denn selbstverständlich würde Erdogan seinen Fund nicht einfach irgendwo verstecken und horten. Sondern er würde ihn verkaufen, in gutes Geld umsetzen wollen. Und das Geld würde er nicht einfach auf eine Bank bringen, sondern er würde es investieren, womöglich sogar in der Türkei. Und was das bedeutete, wusste sie.
    Erika war entschlossen, alles zu tun, um Erdogan zu behalten. Sie wusste zwar, dass er nicht für immer bei ihr bleiben würde. Aber er sollte wenigstens so lange wie möglich bleiben. Sie hatte genug von der männerlosen Zeit, vom leeren Doppelbett, vom einsamen Hocken vor dem Fernseher. Sie wollte einen Mann neben sich haben, einen, der freundlich zu ihr war, der sie gern hatte, der ihr zuhörte, wenn sie etwas sagte. Einen, neben dem sie einschlafen und am Morgen erwachen konnte.
    Der Beischlaf sagte ihr nichts, der war ihr egal. Erdogan wollte es hin und wieder haben, und sie gewährte es ihm jedes Mal mit freundlicher Zurückhaltung. Sie genoss nicht den Akt an sich, der kam ihr seltsam fremdartig vor. Ihr gefiel Erdogans Erschöpfung danach, sein sofortiges Einschlafen, seine tiefen Atemzüge. Sie hätte nicht gewusst, wozu sonst ihre schweren Brüste und ihr Schoß gut gewesen wären. Kinder hatte sie keine, das war ihr auch recht so.
    Sonst hatte sie eigentlich nur noch ihre Mutter und ihre Kollegin Nelly. Wobei die Mutter inzwischen über achtzig Jahre alt geworden war und nur noch muffelte und jammerte, wenn Erika sie besuchte. Und seitdem sie mit Erdogan zusammenlebte, hatte sich auch das Verhältnis zu Nelly abgekühlt.
    Für Ostern hatten die beiden Frauen eigentlich zwei Wochen Wanderferien auf einer griechischen Insel eingeplant gehabt. Erika hatte dann kurzfristig abgesagt wegen Magliaso, was Nelly offenbar beleidigt hatte. Jedenfalls hatte sie sich seither nicht mehr gemeldet. Aber Erdogan ging vor. Eine Freundin war recht und gut, dachte Erika, eine Freundin war hilfreich in der Not und zuverlässig. Eine Freundin hatte man ein Leben lang, wenn auch vielleicht mit Unterbrüchen.
    Aber ein Mann war eben doch wichtiger.
    Warum das so war, das hätte Erika

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