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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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gehabt.
    Die andern waren schon gefährlich genug. Die andern, die ihre Diamanten zurückhaben wollten, die ihn an der Gurgel hatten, ob in Basel, in Mulhouse oder sonstwo.
    Plötzlich erstarrte er vor Schreck, sein Mund wurde wieder trocken wie Sand. Dort vorn kurvte ein Blaulicht aus der Seitenstraße, ein zweites folgte dicht dahinter, dann ein drittes. Die Lichter hielten auf den Bahnhof, direkt auf ihn zu. Was tat er hier? Wie konnte er seine Anwesenheit vor dem geschlossenen Bahnhofsportal zu dieser frühen Stunde erklären? Er merkte, wie seine Hand mit der Zigarette zitterte, wie in seiner Kehle der Hustenreiz aufstieg. Er krümmte sich aufs Steuerrad hinunter, er hustete bellend drei, vier Mal, bis ihm die Tränen in die Augen drangen.
    Dann hörte er das Heulen schwerer Motoren. Er richtete sich auf und sah fassungslos zu, wie drei mächtige Lastwagen, seitlich rückwärts gestaffelt, mit hohen blanken Pflugscharen und drehendem Blaulicht vorbeiglitten, scheppernd und kratzend die gewölbte Schneewelle zur Seite schiebend.
    Er wartete, bis die Laster verschwunden waren. Dann öffnete er das linke Seitenfenster, warf die bis auf den Filter heruntergebrannte Zigarette hinaus und nahm sich den Beschrieb der Garderobe der Kanalarbeiter an der Hochbergerstraße vor. Dort herrschte jetzt bestimmt Ruhe, dort gab es keine verschraubten Dolendeckel und keine stinkenden Röhren. Dort wollte er jetzt einmal vorbeischauen, denn irgendetwas musste er ja tun.
    Er fand die Garderobe auf Anhieb. Es war ganz einfach, die Tür einzudrücken. Niemand befürchtete hier einen Einbruch, niemand hatte mit starken Riegeln vorgesorgt. Die mannshohen Aluminiumkästen standen rechts an der Wand. Kayat leuchtete sie mit der Taschenlampe ab. Er brach drei der Türen auf und durchsuchte ihren Inhalt. Es war nutzlos. Sie enthielten nichts als gebrauchte Unterwäsche, schmutzige Pullover, stinkende Socken. Kayat richtete die Lampe auf die aufgeklebten Namensschilder. Er notierte sich fünf Namen. Zwei der Arbeiter waren offenbar italienischer Abstammung, zwei waren Jugoslawen, und einer hieß Erdogan Civil.
    Kayat verließ die Garderobe und klemmte die Tür notdürftig ins Schloss. Zu vertuschen war der Einbruch ohnehin nicht. Er setzte sich ins Auto, fuhr ins Großbasel zurück und parkte vor dem Hotel Rochat am Petersgraben. Es war ein Zimmer auf seinen neuen Namen reserviert. Er verlangte ein Telefonbuch von Basel und Umgebung und fuhr mit dem Lift hoch. Er fühlte sich mies und zerschlagen, er sehnte sich nach Schlaf.
    Auf dem Bett liegend, suchte er im Telefonbuch die notierten Namen. Drei fand er, nämlich die beiden Italiener, die unter derselben Nummer zu erreichen waren, und Erdogan Civil, der an der Lörracherstraße wohnte.

Peter Hunkeler hatte einen Traum. Es war am Altachenbach, an dem er aufgewachsen war im schweizerischen Mittelland. Dieser Bach war seine Heimat gewesen, seit er sich erinnern konnte. Der Wasserlauf, der sich nach jedem Sommergewitter einen neuen Weg durch die Schlammbänke suchte, die fein geäderten Eisflächen im Winter, auf denen leichter Schnee lag, die schwarzen Egel auf dem Grunde, von denen er sich nie einen in die Hand zu nehmen traute.
    An diesem Bach war es, und zwar unter der Brücke, unter der es muffig roch und allerlei Gerümpel herumlag, den niemand mehr haben wollte. Da lag auch ein Gürtel aus geflochtenem Leder, achtlos weggeworfen. Dieser Gürtel lag in einem seltsamen Licht da, unwirklich wie ein Märchengegenstand, trotzdem höchst real, als gehörte er zu einer anderen, wirklicheren Welt. Und er war für ihn da, für Peter Hunkeler, für das Kind, das er einmal gewesen war und jetzt auf geheimnisvolle Weise plötzlich wieder aufs Neue war. Er wagte sich nicht zu rühren vor diesem Fund, weil er fürchtete, er könnte ihm im letzten Moment abhanden kommen, wegrutschen, sich wegschlängeln. Da hörte er einen Ton. Dieser Ton rief ihn von weit her, aus einer fernen Höhle vielleicht, mit der er im Moment nichts zu schaffen hatte. Dort lag der Gürtel, den galt es zu bergen. Aber da war wieder der Ton.
    Hunkeler erwachte. Er hörte das Telefon draußen im Gang klingeln, er zählte achtmaliges Aufhören und Wiedereinsetzen des Tones, bis er begriff, dass er gemeint war.
    Er schob Hedwigs Bein von seinem Unterschenkel, stieg aus dem warmen Bett, trat in den eiskalten Flur hinaus und hob ab. Es war Madörin.
    »Bist du wahnsinnig«, sagte Hunkeler, »wie spät ist es denn?«
    »Kurz vor

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