Hunter 05 - Späte Vergeltung
ihm die Sicht.
Lautes Hupen ertönte, als jemand im Vorbeifahren provozierend seinen Mittelfinger erhob und in hohem Tempo davonraste. Zach ignorierte ihn und konzentrierte sich nur darauf, die Straße zu finden, die Scott genommen hatte. Der schmale Feldweg war so überwuchert, dass Zach ihn erst im letzten Moment bemerkte. Nach einem kurzen Blick in den Rückspiegel trat er auf die Bremse und brachte seinen Wagen vor der Einfahrt zum Stehen. Einige Sekunden lang saß er einfach nur da und starrte die holperige Sandpiste an. Dann gab er sich einen Ruck und bog ein. Wenn es Scott war, durfte er ihn nicht entkommen lassen – Chloes Leben hing davon ab.
Langsam fuhr Zach die Schotterstraße entlang und zuckte zusammen, als etwas die Unterseite des Wagens streifte. Hoffentlich wurde der Weg nicht noch schlechter, sonst würde er mit seinem tief liegenden Stadtwagen nicht weiterkommen. Zach biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich aufs Fahren. Das T-Shirt klebte an seinem Rücken, seine Hände waren fest um das Lenkrad geklammert.
Es schien unendlich lange zu dauern, bis er bei einer Lichtung ankam, auf der ein altes Haus stand, das wirkte, als könnte es beim nächsten stärkeren Windstoß zusammenbrechen. Sofort legte Zach den Rückwärtsgang ein und fuhr zurück um die Biegung. Vielleicht hatte Scott ihn schon bemerkt, aber falls nicht, wollte er seine Anwesenheit nicht auch noch ankündigen. Er parkte hinter einem Gebüsch und öffnete die Tür. Automatisch griff Zach nach seiner Pistole, während er die Umgebung beobachtete. Es war nichts zu sehen, kein Blatt regte sich.
Lautlos schlich er zur Lichtung zurück und suchte hinter einem Baum Deckung, bevor er die Lage sondierte. Der andere Wagen stand vor dem Haus, aber es war niemand zu sehen. Vor den Fenstern waren von innen Vorhänge angebracht, deshalb konnte er nicht ins Haus sehen. Noch immer konnte es sein, dass er einem unschuldigen Mann zu seinem Wochenendhaus gefolgt war. Aber das würde er wohl in den nächsten Minuten herausfinden.
Geduckt lief Zach im Schutz der Bäume auf das Haus zu, um ein kleineres Ziel abzugeben, sollte Scott ihn bemerkt haben und das Feuer eröffnen. Doch es blieb still. Zu still für seinen Geschmack, und das schlechte Gefühl verstärkte sich. Seit er im Arches National Park so schwer verletzt worden war, hatte er sich angewöhnt, immer auf seinen Instinkt zu hören. Und der sagte ihm, dass er den Verbrecher so schnell wie möglich finden musste, um weiteres Unheil zu verhindern.
Da offensichtlich schon länger niemand hier wohnte, hatte sich die Vegetation hinter dem Haus fast bis zu den Stufen ausgebreitet. Das bot ihm genug Deckung, um sich dem Gebäude ungesehen bis auf wenige Meter zu nähern. Zach suchte sich eine Stelle aus, an der er nicht im Blickfeld der Fenster lag, und lief rasch auf das Haus zu. Sein Herz klopfte schneller, als er sich mit dem Rücken an die Hauswand lehnte und für einen Moment lauschte. Noch immer war kein Laut zu hören. Nachdem er sicher war, dass seine Kopfverletzung ihn nicht übermäßig einschränkte, atmete er tief durch und schlich an der Hauswand entlang zur Hintertür.
Dicht daneben blieb er stehen, die Waffe schussbereit erhoben. Zach wartete, bis sich sein Puls beruhigt hatte, und streckte dann die Hand nach dem Türgriff aus. Seine Finger schlossen sich, darum, und er drückte ihn nach unten. Die Tür öffnete sich, und er schob sie vorsichtig nach innen. Ein leises Knarren ertönte, und er erstarrte. Als nichts weiter passierte, schlüpfte er lautlos durch den Spalt in das dunkle Innere des Hauses. Die Inneneinrichtung – sofern noch vorhanden – sah auch nicht besser aus, als die Fassade andeutete. Der Linoleumboden wölbte sich an einigen Stellen, an anderen fehlte er ganz. Die Tapeten hingen in Fetzen herunter, Fliesen waren teilweise heruntergefallen und lagen zerbrochen auf dem Boden.
Es roch muffig und noch nach etwas anderem, dem er lieber nicht weiter nachging. Es war schwierig, kein Geräusch zu verursachen, da er ständig auf Putz- und Fliesenüberreste trat oder mit nicht mehr befestigten Holzbohlen zu kämpfen hatte. Es gab kaum ein besseres Frühwarnsystem für Scott, wenn er sich hier wirklich versteckt hielt. Chloes Bruder Clint würde als SEAL hier sicher eine wesentlich bessere Figur machen.
Vermutlich hätte er ihn doch anrufen sollen, nachdem die Gefahr für seine Schwester so offenkundig geworden war. Aber er hatte Chloe nicht übergehen wollen,
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