Hunter 05 - Späte Vergeltung
einsticht?« Sie hielt ihren Stift so, wie sie ein Messer halten würde, wenn sie zustach. »Vor allem, von welcher Hand stammten die Abdrücke? Jesse Curtis ist Linkshänder.«
Inzwischen hatte sich Zach ebenfalls einen Block herausgeholt und machte sich Notizen. Erleichtert deutete Chloe das als ein gutes Zeichen.
Schließlich blickte er auf, sein Gesichtsausdruck war grimmig. »War das alles?«
»Ein Punkt noch: das blutbespritzte T-Shirt.«
Zach legte seinen Stift zur Seite. »Das ist nun wirklich eindeutig, es ist genau das Spritzmuster drauf, das bei einem solchen Verbrechen entsteht. Und das Blut wurde unzweifelhaft Candice Meadows zugeordnet.«
»Das bestreite ich auch gar nicht. Ich glaube allerdings nicht, dass das T-Shirt überhaupt Jesse Curtis gehört.«
Zachs Augen verengten sich. »Und wie willst du das beweisen?«
»Ich fürchte, dass ich es nicht beweisen kann, aber zumindest will ich Zweifel wecken, denn die gibt es meiner Meinung nach eindeutig. Curtis ist zwar kein großer Mensch, hat aber einen ziemlich breiten Brustkorb und einen dicken Bauch. Deshalb trägt er immer T-Shirts der Größe XXL . Das blutige T-Shirt ist aber nur Größe XL und ihm damit zu eng. In seinem ganzen Schrank gibt es kein einziges T-Shirt, das nicht XXL ist.«
»Vielleicht hatte er es noch von früher, als er schlanker war. Oder es war ein Geschenk.«
Chloe hob die Schultern. »Das kann sein. Aber mich wundert schon, dass Curtis sich das einzige nicht passende T-Shirt aus dem Schrank greift, besonders, da er ausgegangen ist. Von früher kann das T-Shirt eigentlich auch nicht sein, Curtis sagte, er hätte schon seit langer Zeit dieselbe Größe, und ich habe die T-Shirt-Marke überprüft, es gibt sie erst seit einem Jahr.«
»Also doch ein Geschenk oder ein Fehlkauf, das kann ja vorkommen.«
»Ja, kann es. Aber zusammen mit allem anderen kommt es mir einfach seltsam vor. Ich würde gerne wissen, ob das T-Shirt zum Beispiel nach Zellen anderer Personen abgesucht wurde oder ob es auch andere Flecke gibt, die vielleicht nicht zum Muster passen. Auch darauf habe ich leider keine Antwort bekommen.«
Zach machte sich eine weitere Notiz, bevor er den Stift auf die Schreibtischplatte warf und sich in seinem Stuhl zurücklehnte. »Wenn der Täter bereits gefasst ist, wird im Normalfall nur geprüft, ob die Beweise mit dem Täter und dem Verbrechen zusammenpassen, und es wird nicht weiter gesucht. Besonders, wenn es so offensichtlich ist wie bei Jesse Curtis. Das läuft auch bei anderen, ähnlichen Fällen so ab.«
Das konnte sie einerseits verstehen, andererseits machte es sie aber auch wütend, vor allem, weil all ihre Hinweise und Nachfragen ignoriert wurden. So sollte gute Polizeiarbeit sicher nicht ablaufen. Chloe steckte ihre Unterlagen wieder in die Aktentasche und erhob sich. »Danke fürs Zuhören.«
Zach stand ebenfalls auf und kam um den Schreibtisch herum. »Keine Ursache. Ich werde mich mal umhören, und wenn ich noch etwas erfahre, melde ich mich sofort bei dir.«
Chloe lächelte ihn an. »Danke.«
»Aber erwarte nicht, dass das Ergebnis in deinem Sinne ausfallen wird. Zudem glaube ich immer noch, dass Curtis ins Gefängnis gehört.«
Sie trat dicht zu ihm und legte den Kopf in den Nacken, um ihm in die Augen blicken zu können. »Ob du es glaubst oder nicht, das denke ich auch – nur nicht wegen dieses Verbrechens.« Sie senkte ihre Stimme noch weiter. »Curtis ist ein sexistischer Mistkerl, der Frauen nur benutzt. Trotzdem hat auch er ein Anrecht auf ein faires Verfahren.« Ihr war klar, dass Zach das als Polizist sicher anders sah, da er ständig mit solchen Typen zu tun hatte und oft genug frustriert war, weil er sie nicht zur Strecke bringen konnte.
Doch er nickte nur. »Das kann ich verstehen. Viel Glück bei deinem Prozess.«
»Brauchst du meine Telefonnummer?«
Eines seiner seltenen Lächeln ließ sein Gesicht kurz aufleuchten. »Die habe ich bereits.«
Wie im Reflex hob sie ihre Hand, um über seine Lippen zu streichen, als sie sich im letzten Moment ihrer Absicht bewusst wurde. Rasch senkte Chloe ihren Arm wieder, während Hitze in ihr Gesicht schoss. »Einen schönen Tag noch.« Eilig wandte sie sich ab, damit er ihre Verlegenheit nicht bemerkte, und strebte den Gang entlang zum Fahrstuhl. Sie musste dringend an die frische Luft, offensichtlich hatte die Nähe zu Zach ihren gesunden Menschenverstand beeinträchtigt. Ja, er hatte versprochen, sich für sie umzuhören, aber das hieß noch
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