Hunter 05 - Späte Vergeltung
Candice Meadows verdiente es, dass ihr Mörder gefunden und verurteilt wurde.
Natürlich könnte sie auch den Detectives erzählen, was sie herausgefunden hatte, aber sie bezweifelte, dass Jenks und Houston sie ernst nehmen würden. Garantiert würden die beiden sich niemals auf den Weg nach Brooklyn machen, um dort in einem Nachtclub zu überprüfen, ob hier eine Frau namens Candy gearbeitet hatte. Oder doch, Jenks würde hinfahren, aber nur, um sich die nackten Frauen anzuschauen. Chloe verzog den Mund. Nein, da war es besser, wenn sie selbst hinfuhr. Vielleicht würde der Besitzer auch lieber mit ihr reden als mit einem Polizisten.
Für einen kurzen Moment dachte sie daran, Zach zu fragen, ob er mitkommen wollte, doch sie konnte nicht vergessen, was er zu ihr gesagt hatte. Nein, es war besser, wenn sie Zach für eine Weile aus dem Weg ging bis sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle hatte. Außerdem brauchte sie ihn nicht für ihre kleine Erkundung. Es war Sommer, bis spät abends hell draußen, und an einem Samstag würden Unmengen an Leuten auf der Fähre, auf den Straßen und in dem Nachtclub sein. Davon abgesehen hatte sie immer Pfefferspray in ihrer Handtasche, und ihre Brüder hatten ihr etliche Selbstverteidungstricks beigebracht. Zudem lag der Nachtclub glücklicherweise in einer der besseren Gegenden von Brooklyn, und sie würde vom Pier aus mit dem Taxi dorthin fahren.
Eigentlich gab es also keinen Grund, Zach anzurufen und um Hilfe zu bitten. Froh über diese Erkenntnis schnappte sie sich ihre Tasche, steckte die Fotos von Candice sowie ihr Handy ein und kontrollierte, ob alles vorhanden war, was sie brauchen würde. »Ein drittes Mal werde ich dich sicher nicht um Hilfe bitten, Zach.« Chloe verdrehte die Augen, als sie merkte, dass sie laut gesprochen hatte. Wunderbar, jetzt führte sie schon Selbstgespräche! Sie kam zwar auch ohne Zach klar, musste aber gerechterweise zugeben, dass er ihr beide Male sehr geholfen hatte. Aber das machte die Sache nur noch schlimmer.
Mit einem hohlen Gefühl in der Brust machte sie sich schließlich auf den Weg nach unten, wo das Taxi schon auf sie wartete, das sie vorher bestellt hatte. Innerhalb weniger Minuten kam sie am Fähranleger an und erreichte gerade noch die Fähre. Über den East River brauchte sie nur fünfzehn Minuten bis zur Haltestelle North Williamsburg, und außerdem war die Fahrt viel schöner als mit dem Auto über eine der Brücken. Sie genoss den Ausblick auf das Wasser und die Silhouette der Stadt. Noch schöner war es bei Sonnenuntergang oder in der Dunkelheit, wenn überall in den Gebäuden die Lichter brannten. Doch das war im Sommer wegen der spät hereinbrechenden Nacht leider nicht der Fall.
Chloe stellte sich an die Reling und ließ den warmen Wind über ihr Gesicht streichen. Tief atmete sie die Luft ein und spürte, wie sie endlich ein wenig zur Ruhe kam, während sie sich vom hektischen Treiben in Manhattan entfernte. Diese Ruhe hielt zwar nur wenige Minuten an, bis sie in Brooklyn wieder an Land ging, aber sie fühlte sich danach wieder etwas mehr wie sie selbst.
Mit einem Taxi fuhr sie zu dem Nachtclub, der samstags glücklicherweise schon um neun Uhr öffnete. Angespannt blickte sie zu dem überraschend dezenten Schild mit dem Schriftzug
The Riverside Club
hinauf und ging dann auf den Türsteher zu. Er blickte einmal an ihr hinab und wieder hinauf, dann nickte er knapp und bedeutete ihr, den Nachtclub zu betreten. An der Kasse zahlte sie den ziemlich hohen Eintrittspreis und trat in das Innere des Clubs. Froh, diese Hürde ohne Probleme gemeistert zu haben, blickte sie sich in dem in dunklen Farben dekorierten Raum um. Es herrschte um diese Uhrzeit gähnende Leere, auch auf der Tanzfläche und auf der Bühne hielt sich niemand auf. Im Hintergrund spielte leise Musik, die noch gut zu ertragen war.
Hinter der langen Theke stand ein Barkeeper und wischte gelangweilt mit einem Tuch über das Holz. Der Mann würde ihr erster Anlaufpunkt sein, denn von Berufs wegen bekam er sicher viel mit. Als sie näher kam, blickte er auf, und ein Lächeln glitt über sein Gesicht. »Hallo, haben Sie sich hierher verirrt?«
Irritiert blickte sie ihn an. »Nein, wieso?«
Er legte den Lappen beiseite und stützte die Ellbogen auf die Theke. »Weil hier normalerweise eher Männer, Gruppen oder Paare hinkommen, seltener einzelne Frauen alleine. Sie wissen schon, dass wir ein Strip-Club sind?«
»Das ist mir bewusst.« Sie setzte sich auf einen
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