Hunter 05 - Späte Vergeltung
Tatsache war aber, dass sie dunkle Ringe unter ihren Augen hatte und auf ihrem Hinterkopf ein kleiner Verband thronte, der eine Platzwunde verdeckte. Hatte sie sich irgendwo gestoßen, als sie von der Fähre gefallen war? Oder hatte sie sich die Verletzung zugezogen, bevor sie über die Reling gestürzt war? Auch wenn er noch so ungeduldig war, er würde warten müssen, bis es Chloe besser ging, bevor er Antworten erhielt.
Zach machte es sich etwas bequemer auf dem Stuhl – soweit das möglich war – und richtete sich auf eine lange Wartezeit ein.
Mit einem Ruck schreckte Chloe auf und rang heftig nach Atem.
Sie war unter Wasser, etwas zog sie immer weiter nach unten. Gleich würde sie sterben …
»Es ist alles in Ordnung, Chloe, du bist in Sicherheit.« Die ruhige Stimme drang durch ihre Panik, und sie erkannte, dass sie atmen konnte und nicht mehr im Wasser war.
Tief sog sie die kostbare Luft ein und merkte, dass ihre Lunge schmerzte. Was war geschehen? Sie konnte sich nur noch daran erinnern, dass sie im East River um ihr Leben gekämpft hatte, aber ihre Kraft sie schließlich verließ. Ein letztes Mal war sie untergegangen und … dann war Zach auf einmal da gewesen und sie war nicht mehr im Wasser, sondern … auf einem Boot? Wie war sie dorthin gekommen? Aber das war egal, solange Zach bei ihr war und ihr versicherte, dass alles gut werden würde. Er war doch da, oder hatte sie sich das nur eingebildet? Erneute Angst durchzuckte sie, und mit Mühe hob sie langsam ihre Lider.
Zuerst war alles verschwommen, doch dann klärte sich ihr Blick. Allerdings wusste sie dadurch immer noch nicht, wo sie war. Auf jeden Fall war sie in einem Gebäude, dafür war sie sehr dankbar. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Kopf, als sie ihn bewegte, und sie wollte ihn berühren, aber ihre Hand wurde festgehalten. Große Hände hielten ihre Finger sicher in einem sanften, aber festen Griff. Chloe ließ ihren Blick an den kräftigen Armen nach oben wandern, bis sie beim Gesicht ankam.
Zach!
Es war tatsächlich seine Stimme gewesen, die sie gehört hatte und nicht bloß in ihrer Einbildung. Dann bemerkte sie die verstrubbelte Frisur, seine merkwürdige Kleidung und vor allem sein Gesicht, das wirkte, als wäre er über Nacht um Jahre gealtert. »Was …« Ihre raue Stimme war kaum zu verstehen, und sie räusperte sich. »Was ist passiert? Du siehst … schlimm aus.«
Seine Finger schlossen sich fester um ihre, ein Muskel zuckte in seiner Wange. »Du wärst beinahe gestorben.« Bei den harschen Worten zuckte sie zurück, doch Zach ließ sie nicht los. »Gott, Chloe, mach mir nie wieder solch eine Angst!«
Chloe lachte ungläubig auf, um nicht den Tränen nachzugeben. »Glaubst du etwa, das war Absicht?«
Zach hob eine Hand und schob sanft eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. »Nein, natürlich nicht. Ich möchte das nur nicht noch einmal erleben. Die Angst, dich nicht rechtzeitig zu finden, und wie du ausgesehen hast, als ich dich aus dem Wasser gezogen habe …« Ein Schauer lief durch seinen Körper und er schloss die Augen. »Du hast nicht mehr geatmet, und ich dachte …«
Chloe suchte in ihrer Erinnerung, doch da war nichts. »Du hast mich gerettet?«
»Ja. Aber es war nur Zufall und nur dem Suchscheinwerfer des Hubschraubers zu verdanken, dass ich dich gesehen habe, bevor du ganz untergingst. Ein paar Minuten später …«
Jetzt war es an Chloe, zu schaudern. Sie hätte tot sein können, einfach so. Zögernd legte sie ihre Hand an seine Wange. »Danke, Zach.« Seine Lider hoben sich, und sie versank in den braunen Tiefen. Zum ersten Mal versuchte er nicht, seine Gefühle vor ihr zu verstecken.
Er drehte den Kopf und küsste ihre Handfläche. »Bitte steig in nächster Zeit in keine Fähre mehr, das macht mein altes Herz nicht mit.«
Ein Prickeln begann an ihrem Nacken, als sie sich daran erinnerte, dass sie keineswegs aus Versehen ins Wasser gefallen war, sondern von jemandem von der Fähre gestoßen wurde. Aber darüber wollte sie jetzt noch nicht nachdenken, sondern sich nur auf Zach konzentrieren. »Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
Zach rieb seine stoppelige Wange an ihrer Hand. »Pures Glück. Als du nicht unter den Leuten warst, die von der Fähre gegangen sind, habe ich das Schiff abgesucht. Da du mich von der Fähre aus angerufen hattest, war klar, dass während der Fahrt irgendwas passiert sein musste. Also habe ich die Küstenwache verständigt, habe mir selbst ein Boot samt Fahrer
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