Hure in Gold ROTE LATERNE Band 12 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
zunächst ein wenig ausruhen.«
Sie öffnete die Tür, die in den angrenzenden Raum führte. Darin standen zwei große, altertümliche Betten aus dunklem Holz. Diese geschnitzten Holzbetten mochten einmal bessere Tage gesehen haben. Doch das Bettzeug war weiß und sauber.
»Dort in den Schrank kannst du deine Sachen hineinhängen. Ich mache uns Kaffee.«
Das war es.
Alles was Carmen nun tat, geschah beinahe mechanisch. Sie räumte ihre Koffer aus, hängte die eleganten Kleider in den alten Schrank und setzte sich dann auf die knarrende Bettkante. Sie schob die Hände zwischen die Knie. Carmen Gonzales konnte nicht einmal weinen, obwohl alles in ihr brannte und schmerzte.
Wieder einmal fühlte sie sich am Ende eines Weges angelangt. Sie war hoch gestiegen und sehr tief gefallen. Aber irgendwo in ihr war noch ein wenig Hoffnung. Sie war schon einmal gefallen und hatte geglaubt, die Erde müsste sie decken. Jetzt war sie wieder von einer hohen Klippe gestürzt, dabei jedoch nicht zerschellt.
»Nun komm schon, Carmen!«
»Du kennst meinen Namen« fragte sie verwundert.
»Wer kennt ihn nicht? Komm, ich möchte dir etwas zeigen.«
Auf dem Tisch dampfte der Espresso in kleinen Tassen. Maria Trivolti hatte einige Illustrierte auf dem Tisch liegen. »Nun komm schon«, sagte sie.
Dann legte sie eine aufgeblätterte Illustrierte vor Carmen. Die Seite zeigte ein Foto, das Carmen beim Verlassen eines bekannten Pariser Nachtclubs zeigte. Es gab noch mehr Fotos. »Das bist du doch, nicht wahr?«, Carmen setzte sich.
»Sagen wir besser, das war ich«, flüsterte sie. »Was ich heute bin, siehst du ja. Ich bin nichts mehr. Die große Gonzales ist tot. Sie hat sich vielleicht selbst kaputtgemacht.«
»Das war Pech«, sagte Maria aufmunternd. »Du wirst es wieder schaffen. Jetzt lass erst einmal das Kind kommen und trink deinen Kaffee, bevor er kalt wird.«
Carmen nahm einen kleinen Schluck aus der Tasse. Carmen fühlte schon bald, dass er ihr guttat.
»Du darfst nicht zu schwarz sehen. Was meinst du, wie dreckig es mir schon in meinem Leben ergangen ist. Oh, ja, ich kannte sie auch, diese reichen Kerle, die mich in den Himmel gehoben haben! Aber das ist so lange her, dass ich es fast schon vergessen habe. Man vergisst leicht, wenn man nur will. Das Leben hat auch seine schönen Seiten, Carmen Gonzales.«
»Ach, wenn du nur recht hättest«, flüsterte die Mexikanerin seufzend.
Carmen musste erkennen, dass Maria Trivolti recht hatte. Dies bewies sich in den folgenden Wochen. Die alte Dirne hatte im wahrsten Sinne des Wortes ein Herz aus Gold. Sie umsorgte und bemutterte Carmen, wie es noch nie vorher jemand getan hatte. Carmen fühlte sich unendlich wohl und war ungeachtet der schäbigen Umgebung beinahe glücklich.
Abends um acht ging die Trivolti aus dem Haus und kehrte meist kurz vor Mitternacht zurück. Es gab einige Plätze und Gassen in Rom, in denen sich die Straßenprostituierten trafen. Zu ihnen gehörte Maria Trivolti. Da ihre Jugend jedoch vorüber war, verdiente sie nur noch sehr wenig. Es gab Tage, an denen sie nicht eine einzige Lire einnahm und ganz umsonst auf der Piazza stand. Von den anderen Dirnen verhöhnt und verspottet, kehrte sie in das kleine, warme Nest an der Piazza Venezia zurück. Dort wurde sie von Carmen erwartet.
Wie in einer wunderbaren Einheit fanden die beiden Frauen zueinander. Sie waren sehr verschieden, aber ihre Schicksale waren einander ähnlich. Maria erzählte vieles aus ihrem früheren Leben. Sie stammte eigentlich aus Neapel. Die Familie war sehr kinderreich gewesen. Der Vater hatte getrunken und die Mutter in irgendwelchen Bars gearbeitet. Mit Taschendiebstählen hatten die Trivoltikinder sich durch die frühe Jugend quälen müssen.
Maria zeigte Fotos von früher, und Carmen stellte fest, dass die Italienerin eine Schönheit gewesen war.
»Weißt du«, sagte Maria sinnend, »die Männer haben mich immer nur kurze Zeit begehrt und dann weggeworfen. Ich wollte auf diesem Weg nach oben bleiben, aber ich habe es nicht geschafft. Mit jedem Tag ist ein Stück meiner Jugend und Schönheit dahingegangen. Ja, und heute bin ich eben das, was ich bin. Damit muss ich fertig werden.«
Noch reichte ihnen das Geld, das Stefano ihr eigentlich für die Reise gegeben hatte. Carmen ging zum ersten Mal in ihrem Leben äußerst sparsam mit Geld um und lernte haushalten. Von dem, was Maria nach Hause brachte, würde man zu zweit kaum leben können, geschweige, wenn erst einmal das Kind da
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