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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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die Zeit, in der die Chance, von niemandem erwischt zu werden, am
größten war.
    Heute frage ich mich, ob es für
einen kleinen Hund wie mich überhaupt richtig war, sich auf so unsichere Pfade
zu begeben. Hätte ich nicht mit Anja die wenigen Stunden der Ruhe anders verbringen
können, etwa mit einem schönen Spaziergang oder einem ausgelassenen Spielchen
auf dem Teppich? Schließlich hätte es genug Gründe dafür gegeben, mit ihr den
Feierabend in gewohnter Weise zu gestalten, sehr triftige Gründe. Ich hätte mit
ihr fernsehen können, an ihre Seite hätte ich mich schmiegen können, wohligem
Nichtstun hingegeben.
    Aber nein, ich mußte, als Anja aus
irgendeinem Grund die Tür einmal öffnete und sie nicht sofort wieder schloß,
durch den Türspalt huschen. Im übrigen, solche Gedanken macht man sich
bekanntlich immer erst hinterher, wenn alles vorbei ist und überstanden. In dem
Augenblick, in dem alles geschieht, denkt man an ganz andere Dinge. Ich nützte
zum Beispiel ganz einfach die Gelegenheit aus, hinauszukommen, weil ich mir ausrechnen
konnte, wie schwer es sein würde, Anja später dazu zu bewegen, mir die Tür zu
öffnen. Wenn es mir überhaupt gelang. Es war mir jetzt auch gleichgültig, wie
spät es war. Ich hatte ja die Möglichkeit, festzustellen, wann sie alle unten
zusammensaßen. Selbst wenn ich sie nicht sehen würde, so könnte ich sie doch
hören, wenn ich mein Ohr vor der Tür ganz fest an den Boden legte.
    Ich hielt mich dicht an die Wand,
als ich vorsichtig die Treppe hinunterschlich. Die Tür des Wohnzimmers war nur
angelehnt, und als ich die Nase dazwischensteckte, konnte ich aus dem Eßzimmer
Sprechen hören.
    Also, wenn die das geplante
Ding erstklassig hinlegten morgen, dann wollte ich Blödel heißen. Das konnte ja
gar nicht gutgehen, denn sie zankten sich schon wieder, und wieder war Bully
der Sündenbock. Frau Lucas schrie in höchsten Tönen:
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage,
du willst uns wohl mit aller Gewalt im letzten Moment noch alles versauen!«
    Und Eddie: »Morgen kannst du von mir
aus saufen, soviel du willst. Morgen, verstehst du, wenn alles klar und
erledigt ist. Heute kriegst du jedenfalls keinen Tropfen mehr, das sag’ ich
dir, und wenn ich den Alkohol, den du schon gesoffen hast, aus dir
herausprügeln könnte, dann tät ich’s.«
    »Schnauze«, grunzte Bully, »Ihr
könnt mich, jawohl, alle miteinander könnt ihr mich, damit ihr’s nur wißt.«
    Jo saß anscheinend nahe bei der Tür,
denn ich hörte ihn am deutlichsten, als er sagte:
    »Mr soll et nit für möchlich halten.
Der benimmt sich ja, als wär er vom Affen jebissen. Nu mach ihm schon en Tass
Kaffee, damit er wieder zu sich kommt.«
    »Ich will keinen Kaffee, den könnt
ihr eurem Hund ins Ohr schütten oder selber saufen oder was weiß ich. Ich will
meine Flasche.«
    Erst jetzt fiel mir auf, daß der
Plattenspieler lief. Immer wieder orgelte er dieselbe Melodie. War das etwa als
Geräuschvorhang gedacht? Ich mochte diese Platte sowieso nicht, sie jagte mir
jedesmal, wenn ich sie hörte, einen Schauer übers Fell. Es war die
Melissa-Melodie. Ich weiß nicht, ob Sie sie kennen, mir jedenfalls ist diese
vibrierende, drohende Musik unheimlich. Kein Wunder, nachdem sie zur
Untermalung etlicher Filmmorde diente.
    Ob Anja mich schon vermißte? Würde
sie gleich nach mir suchen? Ich mußte mich beeilen, soweit durfte es nicht
kommen. Meine Sterne standen günstig. Alle verdächtigen Hausbewohner saßen im
Eßzimmer, Anja oben. Sieben Uhr oder nicht, jetzt mußte ich es wagen.
    Den Weg zu Bullys Zimmer fand ich
schnell und leicht, obwohl kein Licht im Gang brannte. Aber wozu brauchte ich
Licht, schließlich besaß ich ein eingebautes, speziell feuchtes Radargerät, das
mir sicher den Weg wies. Wer weiß, in welchem Zustand Bully sein Zimmer
verlassen hatte, bestimmt kreiste der ganze Inhalt der Flasche, über die ich
eben vor seiner Zimmertür stolperte, jetzt in seinem Körper. Die Tür schien
verschlossen. Das wäre natürlich eine Superpleite. Trotzdem, ich schwänzelte
davor herum, weil ich mich einfach nicht mit der Tatsache abfinden wollte. Ein
unangenehmer Geruch drang durch eine breite Ritze zu mir heraus. Wieso war die
Ritze so breit? Vielleicht sah es nur so aus, als sei die Tür verschlossen, und
ich mußte mich nur tüchtig anstrengen. Rücksichtslos gegen mich selbst
quetschte ich meine Nase zwischen die Kanten der Tür und der Füllung, zweimal,
dreimal. Zwischendurch versuchten meine Pfoten

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