Hurra, die Lage wird ernst
mitzuhelfen. Sie kratzten am
Holz, als gelte es weniger eine Tür zu öffnen, als ein Mauseloch zu buddeln.
Endlich, meine Nase war schon ganz
trockengerieben, klickte es über mir. In seinem dusseligen Kopf hatte Bully die
Tür wohl nicht richtig ins Schloß gezogen, der Spalt hatte es mir angezeigt,
und meine energischen Bemühungen hatten endlich Erfolg.
Die Tür ging auf.
Dieses war der erste Streich, jetzt
hieß es nur noch, den Plan finden, ihn Anja bringen, nachdem sie ihn sich
angesehen hatte ihn wieder nehmen, hierher zurückbringen und dann schleunigst
verschwinden.
Mir wurde übel, weniger von all dem,
was mir noch bevorstand, als vom speziellen Duft der Gegenstände und
Wäschestücke, die in Bullys Zimmer verstreut herumstanden und — lagen. Ich
mußte mich konzentrieren, um den Geruch des Papiers wieder in mein Gedächtnis
zurückzurufen, nach dem ich jetzt zu suchen hatte. Es hätte mich nicht
gewundert, wenn mir meine lädierte Nase nach solch ungehöriger Behandlung den Dienst
versagt hätte, aber sie tat es nicht.
Zuerst sah es freilich so aus, denn
ich konnte auch nicht den Schimmer einer Spur finden. Zu stark stieg mir der
Geruch von Bullys ausgezogenen Socken in die Nase, die auf dem Boden
herumlagen. Außerdem hatte er bestimmt Ölsardinen gegessen, bevor er sich zur
allgemeinen Versammlung begeben hatte, und nachher die leere Dose in eine Ecke
gestellt, denn für ein Weilchen registrierte meine Nase nichts anderes als
Fisch. Aus diesem Geruchsmischmasch sollte ich also nun diesen Hauch von Süße,
verwoben mit kaltem Zigarettenrauch herauskristallisieren. Als ich feststellen
mußte, daß meine Bemühungen in dieser Richtung zuerst völlig vergeblich waren,
suchte ich wieder die Mitte des Zimmers auf, drehte von dort aus meinen Kopf in
alle Richtungen und ließ die verschiedenen Gerüche jeder einzelnen Ecke erst
einmal einen Moment auf mich einwirken.
Aus der Richtung, in der das Fenster
lag, glaubte ich plötzlich einen zarten Duftstrahl zu verspüren, der dem des
Gesuchten zumindest sehr ähnlich war. Dieser Sache mußte ich nachgehen.
Allerdings war das gar nicht so einfach, denn vor dem Fenster stand ein
niedriges Schränkchen, das genau bis zur Fensterbank reichte. Darauf eine
Blumenvase mit künstlichen Blumen (sie hatten laut und deutlich geraschelt, als
Anja sie morgens abgestaubt hatte).
Je näher ich jetzt auf dieses
Schränkchen zuschlich, um so stärker strömte der gesuchte Duft auf mich ein.
Wie ein Flugzeug einem Leitstrahl, so folgte ich ihm. Er führte mich genau bis
vor das Schränkchen, aber darauf konnte ich keinen Plan erkennen, was aus
meiner Perspektive auch so gut wie unmöglich war. Flügel hätte ich haben
müssen. Aber auch ohne Flügel mußte ich hinaufkommen, denn hier mußte der Plan
sein, hier und nirgends sonst.
Immer mächtiger zog mich der Geruch
an, als hätte er mich an der Leine. Ich tappte ein paar Schritte zurück, maß
den Abstand, aber nein, vom Boden aus konnte ich nicht hinaufgelangen. Ich
mußte nach einer anderen Möglichkeit suchen.
Der Stuhl! Ein Stuhl stand nicht
allzuweit entfernt, am Tisch. Was heißt, nicht allzuweit — dreimal eine
Dackellänge war er schon vom Schränkchen weg. Für mich bot er aber die einzige
Möglichkeit, überhaupt noch mein Ziel zu erreichen. Ich überlegte nicht lange
und hopp, war ich oben. Hier ergab sich eine neue Schwierigkeit. Das
Stuhlkissen, das darauf lag, hätte mich fast ebenso schnell wieder
hinuntersegeln lassen. Es bot mir also bei einem Absprung aus voller Kraft auch
nicht die feste Unterlage, die für einen so gewagten Sprung nötig gewesen wäre.
Mit einfachem Wegscharren war es aber auch nicht getan, denn das Teufelsding
war angebunden. So wetzte ich denn zuerst meine Zähne am unordentlichen
Schleifchen, bis das Kissen von selbst hinunterrutschte. Erst als das geschafft
war, konnte ich mich vollends auf den gefährlichen Sprung konzentrieren.
Ich kam mir fast vor wie Rih,
Winnetous Pferd. Auch Rih hatte einmal einen solchen Sprung gewagt, über eine
Schlucht, und obendrein noch mit einem Reiter auf dem Rücken. Zum Glück blieb
mir diese Zugabe erspart. Für mich war es auch so schon schwer genug,
hinüberzugelangen, wenn ich es überhaupt schaffte. Trotzdem ist es ganz gut,
wenn man in solchen Situationen ein Vorbild hat, dem man nachzueifern bereit
ist. Ich war es, und mein Sprung mußte mir ebenso gelingen, wie er Rih in
höchster Not gelang.
Es ist gewiß keine Schande, wenn ich
heute
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