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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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zugebe, daß ich eine ganze Zeit brauchte, bis ich mich ernsthaft
überwinden konnte. Schließlich hatte ich keinen Anlauf, mußte ihn aus dem Stand
riskieren. Ich beugte meine Hinterbeine, sammelte all meine Kraft darin und — sprang
dann doch nicht. Dieses Spielchen machte ich so oft, bis ich auf einmal zu mir
selber sagte: Feigling, jetzt aber endgültig.
    Also, nun zum letztenmal die Muskeln
gespannt, Maß genommen, tief Luft geholt. Wie von einem Katapult geschossen,
flog ich durch die Luft und landete tatsächlich auf dem Schränkchen, rutschte
noch bis fast an den Rand, beförderte so die Blumenvase in die Nähe der Socken
und hatte es endlich, endlich geschafft.
    Der erste Gedanke, der mir hier in
der Höhenluft durch den Kopf schoß, war: Und wenn der Plan nun im Schränkchen liegt, wenn der Geruch aus dem Schrank kam und gar
nicht von ihm herab? Das durfte nicht wahr sein. Jetzt hatte ich für Anja so
etwas Ähnliches wie einen Tigerspruch gemacht, und meine Anstrengung durfte
einfach nicht umsonst gewesen sein.
    Auf dem Schränkchen lag wirklich
kein Plan, wenn sein Odeur mir auch weiter in die Nase stieg. Er war auch nicht
mit hinuntergerutscht, das wußte ich ganz genau. Wo aber war er? Ich war ihm
ganz nah, ich spürte es, ich roch es, und wäre ich Rosenstocks kleiner Harald
gewesen und hätte mit Sabinchen »Suchen« gespielt, hätte sie bestimmt »heiß,
heiß« geschrien.
    Ruhe, Ruhe, nur nicht nervös werden!
Über jeden Millimeter des verflixten Schränkchens fuhr ich mit der Nase hin.
Der Geruch blieb in der Nähe, aber zu meinem Erstaunen stellte ich fest, daß er
an keiner Stelle des Holzes haftete. Langsam schwenkte ich meinen Riecher zum
Fenster hin. Daß ich darauf nicht sofort gekommen war. Hier wurde er stärker,
hier, direkt unter den zugezogenen Stores. Hätte ich an der linken Seite der
Fensterbank angefangen zu suchen, hätte ich ihn gleich gefunden. Aber wie es ja
meistens ist, begann ich von der falschen Seite aus und schnupperte mich von
rechts langsam aber sicher zu diesem Stück Papier hinüber, das mich bis jetzt
schon so viele Mühen gekostet hatte.
    Da war es also. Mein Herz schlug
noch schneller als eben vor dem Absprung, diesmal war es Freude. Ich hatte ihn
gefunden. Jetzt verstand ich auch, warum Anja ihn übersehen mußte. Wer kommt
schon auf die Idee, ein solches Dokument einfach auf die Fensterbank zu legen.
Andererseits konnte man sagen, wenn es was zu bedeuten hätte, läge es wohl
nicht da.
    Wie es auch sein mochte, ob wichtig
oder nicht, jetzt war es mir egal, ich hatte das Ding und würde es Anja zu
Füßen legen, sie würde mir schon sagen, ob es meinen Einsatz wert war oder
nicht.
    Ich nahm den Plan fest in die
Schnauze, Stolz weitete meine Brust. Hinab sprang ich gar nicht mehr erst auf
den Stuhl, denn jetzt hatte ich wirklich Flügel. Der Aufprall war
dementsprechend hart, aber was machte das? Wie mit Teufeln gehetzt rannte ich
den Gang entlang und mußte mich gewaltsam bremsen, um nicht spornstreichs durch
die Halle zu rasen. Aber dafür war mir meine Eroberung zu wertvoll, als daß ich
jetzt durch Unvorsichtigkeit alles aufs Spiel gesetzt hätte. Das wäre für jeden
einzelnen der vier ein gefundenes Fressen gewesen, mich mit meiner Beute zu
erwischen, noch ehe ich Anja und der Plan seinen Bestimmungsort erreicht hatte.
    Nichts war zu hören und zu sehen.
Ich hatte vorsichtig um die Ecke geblinzelt, und nachdem ich diese beruhigende
Feststellung gemacht hatte, sauste ich los wie der Blitz, durch die Halle, die
Treppe hinauf, vor die Tür unseres Zimmers — zu. Drinnen lief der
Fernsehapparat, ich hörte die Erkennungsmelodie von »Hier und Heute«. Kratzen
konnte da nicht viel helfen, also jaulte ich, als hinge ich am Spieß, und ich
wunderte mich, daß mich das Papierpaket, das ich im Maul trug, nicht im
geringsten dabei störte. Ich trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Das
dauerte doch alles viel zu lange. Wenn mich nun einer von unten hörte und nach
mir sah, Jo beispielsweise, dem ich soviel Mitgefühl noch am ehesten zutraute.
    Endlich ging die Tür auf.
Breitbeinig, beide Hände in die Hüften gestemmt, stand Anja darin und sah
kopfschüttelnd auf mich herunter.
    »Wo kommst du denn her?« war das
erste was sie sagte. Ich hatte keine Zeit, enttäuscht darüber zu sein, daß sie
mich nicht einmal vermißt zu haben schien, ich ließ den Plan vor ihre Füße
fallen und konnte vor lauter Aufregung ein Bellen nicht vermeiden.
    »Was bringst du

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