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Hustvedt, Siri

Hustvedt, Siri

Titel: Hustvedt, Siri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Sommer ohne Maenner
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regieren dürfen.
    Größtenteils
gleich, aber in Teilen anders, größtenteils in jenen unteren begattenden und austragenden
Teilen? Oder andersartig? Thomas Laqueur, er sei gepriesen, hat ein ganzes Buch
über das Thema geschrieben. Als die Inni-Außi-Theorie zusammenbrach - irgendwann
im 18. Jahrhundert -, waren Frauen nicht länger umgekehrte Männer; wir waren ganz
und gar anders : unsere Knochen, Nerven, Muskeln,
Organe, Gewebe, alles anders, eine ganz andere Maschinerie, und diese biologische
Fremde war so ungemein zart. «Wiewohl es wahr ist, dass der Geist allen Menschen
eigen ist», schrieb Paul Victor de Seze 1786, «ist dessen tätiger Gebrauch nicht
für alle zuträglich. Bei Frauen kann diese Tätigkeit recht schädlich sein. Wegen
ihrer natürlichen Schwäche würde umfangreichere Hirntätigkeit bei Frauen alle anderen
Organe auslaugen und somit ihr ordentliches Funktionieren zum Erliegen bringen.
Vor allem jedoch würden durch die Überanstrengung des weiblichen Gehirns die Fortpflanzungsorgane
am meisten ermüdet und gefährdet.» Die Theorie, dass durch Denken die Eierstöcke
schrumpfen, hatte ein langes, unverwüstliches Leben. Dr. George Beard, der Verfasser
von American Nervousness, behauptete,
anders als «die Squaw in ihrem Wigwam», die sich auf ihren Genitalbereich konzentriere
und ein Kind nach dem anderen werfe, werde die moderne Frau durch Denken deformiert,
und um es zu beweisen, zitierte er die Arbeit eines angesehenen Kollegen, der hochgebildete
Uteri vermessen und dabei herausgefunden hatte, dass sie nur halb so groß waren
wie die, die nie dem Lernen ausgesetzt gewesen waren. 1873 veröffentlichte Dr. Edward
Clarke, dem erlauchten Beard folgend, ein Buch mit dem sympathischen Titel: Sex in Education: A Fair Chance for Girls, in dem er vorbrachte,
menstruierende Mädchen sollten aus dem Klassenraum verbannt werden, und zitierte
unwiderlegbare Befunde aus in H arvard an intellektuellen
Frauen durchgeführten klinischen Studien, die ermittelt hatten, dass zu viel Wissen
diese armen Geschöpfe unfruchtbar, blutarm, hysterisch und sogar wahnsinnig gemacht
hatte. Vielleicht war das mein Problem. Ich las zu viel, und mein Gehirn explodierte.
Im Jahr 1906 behauptete der Anatom Robert Bennett Bean, das Corpus Callosum - die
Nervenfasern, die die beiden Hirnhälften miteinander verbinden — sei bei Männern
größer als bei Frauen, und stellte die Hypothese auf, «die außergewöhnliche Größe
des Corpus Callosum könne außergewöhnliche intellektuelle Aktivität bedeuten».
Große Gedanken = Großes CC.
    Aber heutzutage
äußert niemand mehr solchen Unsinn, sagen Sie. Die Naturwissenschaften haben sich
verändert. Sie beruhen auf Tatsachen. Und doch sind Kollegen meines Ehemannes auf
Abwegen fleißig dabei, Volumen und Dichte des Gehirns zu messen, seinen oxigenierten
Blutfluss zu scannen, Mäusen, Ratten und Affen Hormone zu injizieren und links
und rechts Gene auszuknocken, um zweifelsfrei zu beweisen, dass der Unterschied
zwischen den Geschlechtern tiefgehend, von der Evolution vorherbestimmt und mehr
oder weniger festgelegt ist. Wir haben männliche und weibliche Gehirne, die nicht
nur in Hinblick auf reproduktive Funktionen, sondern auf unzählige andere wesentliche Weisen anders sind. Es stimmt zwar, dass Geist allen
Menschen eigen ist, doch hat jedes Geschlecht seine eigene art von geist . Der bedeutende
Neurophysiologe Dr. Renato Sabbatini zum Beispiel, seinerzeit Postdoc-Stipendiat
am Max-Planck-Institut, zählt eine lange Liste von Unterschieden zwischen uns und
ihnen auf und verkündet dann: «Das, so meinen Wissenschaftler, könnte die Tatsache
erklären, dass es sehr viel mehr [männliche] Mathematiker, Piloten, Buschführer,
Maschinenbauingenieure, Architekten und Rennfahrer als weibliche gibt.» Studiert,
so viel ihr wollt, Mädels, ihr werdet nie eine Riccati-Differenzialgleichung lösen.
Warum? Die Idee mit dem Wigwam kehrt zurück, ohne dass man die amerikanischen Ureinwohner
bemühen müsste (es ist nicht mehr erlaubt, den Wigwam zu dämonisieren oder zu idealisieren.
Wir müssen auf Völker zurückgreifen, die nicht mehr beleidigt werden können): «Die
Höhlenmänner jagten, die Höhlenfrauen sammelten Nahrung in der Nähe der Behausung
und kümmerten sich um die Kinder.» Doch keine Sorge, versichert uns unser geschätzter
Professor (eine noch viel höhere väterliche autorität zitierend,
den großen «Vater der Soziobiologie in H arvard , Edward O.
Wilson), ihr mögt

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