Hutch 01 - Gottes Maschinen
Emilys Idee gewesen, nach Maine zu ziehen und hier zu leben, weit weg von der Hauptstadt oder New York. Hier hatte er ›Der babylonische Sommer‹ geschrieben, das Buch, das ihn berühmt gemacht hatte. Hier hatten sie die Nachricht vom Durchbruch in der Raumfahrt erhalten: FTL – während des Erntedankfests und während eines Sturms wie diesem hier (Zu dieser Zeit hatten weder Richard noch Emily verstanden, was denn so Besonderes an FTL war, und sie hatten sich noch viel weniger vorstellen können, wie sehr es ihren Beruf verändern würde.) Zwei Wochen später war Emily tot. Sie war unterwegs gewesen, um ihre Familie zu besuchen.
Der Regen trommelte hart gegen die Fenster. Die großen Fichten in seinem Vorgarten und gegenüber bei den Jacksons ächzten. Es gab nicht länger eine Saison der Wirbelstürme. Mittlerweile kamen sie das ganze Jahr über. Dieser hier war seit Januar schon der siebte, und die Meteorologen hatten ihn Gwen genannt.
Richard war damit beschäftigt, seine Notizen über die Großen Monumente durchzugehen, während er einen Artikel für Archeological Review vorbereitete. Eine Diskussion, in der er sich mit der allgemeinen Enttäuschung darüber auseinandersetzte, daß man nach zwanzig Jahren des Suchens nach den geheimnisvollen Erbauern der Monumente noch keinen Schritt weitergekommen war.
Ohne direkten Kontakt sind sie (die Erbauer der Monumente) zu einer beträchtlichen mythologischen Macht geworden. Wir wissen heute, daß es möglich sein muß, eine fortgeschrittene Zivilisation mit Wertvorstellungen zu schaffen, die unser Leben lebenswert und vielleicht sogar vornehm machen. Wie sonst sollte man die Monumente und ihre bezaubernde Schönheit erklären?
Vielleicht wäre es das Beste, wenn die Menschen sie, die Erbauer, niemals finden würden. Wenn die Erbauer nur durch ihre Kunst mit uns in Kontakt träten. Der Künstler ist immer kleiner als sein Werk. Was sind schon Paeonius, Cezanne oder Marimoto verglichen mit ihren Arbeiten? Wissen aus erster Hand konnte wohl kaum zu mehr als Enttäuschung führen. Und doch … und doch, was würde er nicht dafür geben, wenn er heute nacht hier sitzen könnte, Beethovens Fünfte im Hintergrund, draußen der tosende Sturm, und sich mit einem dieser Wesen unterhalten! Was hast du da oben auf dem Hügelkamm von Iapetus gemacht? Hutchins glaubt, daß sie es versteht. Aber was ging wirklich in deinem Kopf vor? Warum bist du hergekommen? Wußtest du von unserer Existenz? Oder wanderst du ziellos durch die Galaxis auf der Suche nach immer neuen Wundern?
Warst du alleine?
Die schweren Böen des Wirbelsturms Gwen erreichten Windgeschwindigkeiten von zweihundert Kilometern in der Stunde. Dichter Regen peitschte über den Rasen und trommelte auf das Dach. Dicke graue Wolken hatten den Himmel verschlungen und jagten niedrig über die Dächer der Häuser. Das Metallschild von Staffords Apotheke schwang in wildem Rhythmus hin und her und zerrte knallend an seinen Befestigungen. Wahrscheinlich würde der Sturm es wieder herunterreißen. Aber diesmal kam der Wind aus Richtung der Stadt, und das Schild konnte keinen Schaden anrichten. Hinter der Apotheke war nichts mehr außer Sand und Wasser.
Richard füllte sein Glas. Er genoß es, mit einem aromatischen Burgunder in der Hand neben dem Fenster zur Bucht zu sitzen, die Läden geschlossen, und seine Gedanken vom Wind treiben zu lassen. In einem schweren Sturm fühlte man sich einsamer als auf der Oberfläche von Iapetus, und er liebte die Einsamkeit geradezu. Sie war auf eine ihm unverständliche Weise mit den Gefühlen verknüpft, die er empfand, wenn er durch die Hallen lang verschwundener Kulturen schritt. Oder dem Rauschen des Meeres an den Küsten der Zeit lauschte …
Es gibt auf der ganzen Welt nichts Reinigenderes als einen starken Wirbelsturm. Die Penobscot Avenue glänzte. Die Straßenlaternen leuchteten verschleiert, und abgestorbene Äste segelten durch die Straßen.
Bleib ruhig.
Sein Vergnügen war von Schuldgefühlen durchsetzt. Die schweren Stürme wuschen Amity Island Stück für Stück davon. Mittlerweile konnte man bei ruhigem Wetter fast eine Viertelmeile weit vor der Küste durch das Wasser über die alte Straße Nummer Eins waten.
Die Plunketts hatten ihn für heute abend zum Essen eingeladen. Sie hatten ihm sogar angeboten, wegen des Sturms bei ihnen zu übernachten, doch er hatte abgelehnt. Die Plunketts waren interessante Leute. Man hätte miteinander Bridge gespielt (was eine
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