Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
erotischen Empfindungen fort, die reine Freude verschwunden war und sie nur noch aus einem tiefen Loch herausgeblickt hatte, als wäre sie irgendwo in ihrem eigenen Hirn vergraben, unfähig zu fühlen, unfähig, ihren Körper zu kontrollieren. Sie dachte, sie wäre in Gefahr, konnte sich aber nicht aufraffen, sich darum zu kümmern. Dann zerrte etwas an ihr, und die Stimmen wurden drängend. Ziehen und Stoßen, und plötzlich wichen die Blätter harter Erde, und sie lag am Boden. Alle knieten um sie herum, und Kellie trug eine Salbe auf, sagte ihr, sie solle still liegen, sagte ihr, alles käme wieder in Ordnung. »Sie versuchen, einen Baum flachzulegen?«, formulierte MacAllister den koitalen Gedanken des Augenblicks. »Ich glaube nicht, dass ich so etwas schon einmal gesehen habe.«
Die Blume lag geschwärzt und zerfetzt am Boden. Ihre zarten Blätter waren zerrissen, der Blütenstempel gebrochen. Hutch fühlte tiefes Bedauern.
»Kommen Sie schon, Hutch, reden Sie mit mir!«
Die anderen Blumen wiegten sich im Einklang. Oder war das nur die Wirkung eines sanften Windes?
Ihr Hals, ihre Arme, ihr Gesicht, alles brannte. »Was für ein Ritt«, sagte sie und kicherte.
Kellie maß sie tadelnden Blicks. »In Ihrem Alter sollten Sie vernünftiger sein.«
»Die müssen ein Allergen ausströmen«, sagte Nightingale. »Offenbar ein ziemlich starkes Zeug.«
»Vermutlich.« Hutch fühlte sich immer noch seltsam losgelöst. Als hätte sie sich in ihrem Kopf zusammengerollt. Und sie war aufgebracht.
»Ich nehme an, Sie sind ein bisschen zu groß für das Ding«, erklärte Nightingale. »Aber es hat sein verdammt Bestes getan, als wir herkamen.«
»Warum habe ich Schmerzen?«, fragte sie.
»Es hat versucht Sie zu verdauen, Hutch.«
Kellie war mit der medizinischen Versorgung fertig und aktivierte Hutchs Feld, was zur Folge hatte, dass sie mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt wurde, während die Effekte der Umgebung abgeschaltet wurden. Langsam schwand das Gefühl, alles wäre nur schön und die anderen sollten sie doch endlich in Ruhe lassen. Sie streckte die Arme aus und betrachtete die dunklen Flecken auf ihrer Haut.
»Die Enzyme waren schon aktiv, als wir Sie rausgeholt haben«, sagte Kellie.
»Psychotische Blume«, murmelte Hutch.
Chiang lachte. »Und dazu ein sexbesessenes Erdenmädchen.«
Ihre Kleider waren zerfetzt, und Nightingale reichte ihr einen der Star- Overalls, die sie aus der Landefähre geholt hatte. »Sieht ziemlich groß aus, ist aber der kleinste, den wir haben.«
Inzwischen zitterte sie. Und sie war furchtbar verlegen. Mein Gott, was hatte sie getan, als sie sie gefunden hatten? »Ich kann nicht glauben, dass mir so etwas passiert ist«, sagte sie.
»Erinnern Sie sich an die erste Regel?«, fragte Nightingale.
»Ja.« Niemand geht allein weg.
Sie konnte nicht gehen. »Sie haben da einige hübsche Verätzungen«, sagte Kellie. »Wir sollten die Nacht hier verbringen und sehen, wie es Ihnen morgen geht.«
Sie widersprach nicht, als die anderen sie zurücktrugen. Sie legten sie auf den Boden und errichteten ein Feuer. Hutch schloss die Augen und erinnerte sich an ein Erlebnis aus ihrer Jugend. Sie war etwa dreizehn Jahre alt, als sie zum ersten Mal einem Jungen gestattet hatte, sich unter ihre Bluse zu tasten. Es war im Geräteschuppen auf der Rückseite des Hauses gewesen, und ihre Mutter hatte sie erwischt. Der Junge hatte versucht, die Geschichte mit Frechheit zu überspielen, und vorgegeben, es sei gar nichts passiert. Aber Hutch hatte sich gedemütigt gefühlt, war in ihr Zimmer geflüchtet und hatte gedacht, die Welt müsse untergehen, obwohl sie ihrer Mutter das Versprechen abgerungen hatte, ihrem Vater nichts zu erzählen. Wofür sie im Gegenzug hatte versprechen müssen, dass so etwas nie wieder vorkommen würde. Und sie hatte sich daran gehalten. Zumindest während jenes einen Sommers.
Augenblicklich fühlte sie sich ähnlich gedemütigt. Mit geschlossenen Augen lag sie auf der Erde, hörte die anderen sprechen, leise, als wären sie alle darauf bedacht, sie nicht zu stören, lauschte dem Knistern des Feuers und den Schritten, die dann und wann im Lager erklangen, und wünschte sich, sie könnte einfach verschwinden. Ihr Ruf war ruiniert. Und da ausgerechnet MacAllister hier sein musste, würde er vermutlich auch noch einen Bericht über diese Sache schreiben, und Hutch und die Blume würden vermutlich als Nachricht auf Universal News verbreitet werden.
Gab es, so fragte sie sich,
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