Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
zu Boden. Nightingale half ihm auf die Beine.
Kellie öffnete die äußere Luke. Wind und Regen peitschten in die Luftschleuse. Und Mac sah, warum Hutchins immer noch am Leben war. Sie hatte ihr Seil zu einer Schlinge verknotet, hatte sie unter Oberschenkel und Arme geschlungen und sich von dem Querriegel abgeseilt. Fort von dem Metall.
»Halten Sie durch, Priscilla«, sagte er zu ihr, obwohl er wusste, dass sie ihn in dem Sturm nicht hören konnte.
»Sind wir nahe genug?«, fragte Kellie. Die Fähre tanzte in der Luft.
»Nein«, brüllte Mac. »Wir müssen näher heran.«
»Ich weiß nicht, ob das möglich ist.«
Das Seil war für den Alltagseinsatz gedacht. Etwas, das man dazu benutzte, Frachtgegenstände zu sichern oder eine Ausgrabungsstätte zu kennzeichnen. In diesem Wind hätte er sich eher so etwas wie Hutchs schwere Ranke gewünscht.
Einige Male warf er nicht weit genug. Dann schaltete er seinen E-Suit lang genug aus, um einen Schuh auszuziehen. Er band ihn an dem Seil fest und wartete auf eine günstige Gelegenheit: nachlassender Wind und der passende Abstand. Als es so weit war, warf er den Schuh und das Seil mit ihm. Der Schuh segelte über den Querriegel. Hutch schaukelte zurück, dann vor und packte das Seil. Rasch zog sie es heran und wickelte es sich um die Leibesmitte, ehe sie es unter den Armen verknotete.
Mac hielt das andere Ende und machte sich bereit.
»Schnell«, bat Kellie, während sie gegen den Sturm und die Abwinde ankämpfte.
Der Laser tauchte wie durch Zauberhand in Hutchs rechter Hand auf. Sie zeigte ihnen den Laser und deutete an, was sie mit ihm zu tun gedachte.
Mac sah sich nach der Sitzverankerung um und griff fester zu. Nightingale stand ungesichert in der Luke. Mac stieß ihn zurück, weg aus der Gefahrenzone.
Priscilla schnitt das Seil durch und fiel, bis sie nicht mehr zu sehen war. Mit einem Ruck straffte sich das Seil. Mac hielt es fest, fühlte, wie sich Nightingale hinter ihm näherte, und gemeinsam zogen sie sie herein.
Als sie sicher an Bord war, brandete eine Woge des Gelächters auf. Priscilla umarmte Mac und küsste Nightingale. Kellie beschleunigte und schaltete den Spikeantrieb ab, um keine Energie zu vergeuden. Dann umarmte Hutch auch sie. Sie alle waren glücklich, erschöpft und den Tränen nahe. Hutch dankte ihnen von Herzen, wickelte das Seil auf und tat ihre ungezügelte Freude kund, wieder an Bord der Fähre zu sein, und dann umarmte sie erneut jeden Einzelnen. Schließlich knotete sie Macs Schuh los und überreichte ihn feierlich seinem Eigentümer.
»Willkommen zu Hause«, sagte Kellie.
Mac ließ sich auf seinen Sitz fallen. »Schön, dass Sie zurück sind, Priscilla.«
Sie setzte sich neben ihn, rieb ihre Oberschenkel dort, wo das Seil sie getragen hatte, und schloss ermattet die Augen. »Ihr glaubt gar nicht«, sagte sie, »wie gut sich das anfühlt.«
Die Fähre war derweil stetig gestiegen. Plötzlich endete die Wolkendecke, über der weniger Turbulenzen die Luft aufwirbelten, aber Nightingale hielt die Luft an, den Blick aufwärts gerichtet.
Mac folgte seinem Blick. Über sich sahen sie den gewölbten Bogen des näher kommenden Planeten. Der ganze Himmel im Südwesten schien sich vor dem purpurnen Monster zu ducken. Und sie konnten hineinsehen, konnten in seine Tiefe blicken. Ein Schauder rann über Macs Leib.
»Was jetzt?«, fragte er. »Fliegen wir jetzt zum Treffpunkt?«
»Noch nicht«, sagte Hutch. »Es ist noch zu früh. Uns bleiben noch über vier Stunden Zeit.«
Er verzog das Gesicht und blickte auf die brodelnde Wolkenmasse hinab. »Müssen wir wirklich wieder da runter?«
Bill und Lori überraschten die Mannschaft, als sie sich gleichzeitig auf der Brücke der Star meldeten. »Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass das Manöver abgeschlossen ist«, sagte Lori. »Es wird keine weiteren Energieanforderungen geben. Alpha wird plangemäß zur vorgesehenen Zeit am Zielpunkt über dem Nebelmeer erscheinen.«
»Gute Arbeit«, verkündete Bill. Er schien recht zufrieden zu sein.
Kellie entdeckte eine Hochebene nicht weit vom Fuß des Berges entfernt, auf der sie die Fähre landete.
Hutch verschwand im Waschraum. Als sie eine halbe Stunde später in ein Handtuch gewickelt wieder herauskam und darauf wartete, dass ihre Kleider trockneten, sah sie frisch und sauber aus. »Ich hoffe, niemand stört sich an diesem kleinen Verstoß gegen etwaige Kleidungsvorschriften«, sagte sie.
»Aber nicht im Geringsten«,
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