Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
Gefälligkeiten dankbar sein.
Als die Landefähre zu sinken begonnen hatte, hatte Kellie beschleunigt und wieder an Höhe gewonnen. Dann war sie auf die Bergkuppe zurückgekehrt in der Hoffnung, dass sie von oben einen Weg finden würden, Hutch zu retten. Aber der Gipfel hüllte sich trotz des stürmischen Windes immer noch in dichten Nebel. Die starken elektrischen Felder in der Luft unterbanden den Funkverkehr mit der Wendy, also war niemand da, der sie hätte einweisen können. Als MacAllister sie drängte, es dennoch zu versuchen, erklärte sie ihm besonnen, dass es Priscilla Hutchins nicht helfen würde, wenn sie alle ums Leben kämen.
Stattdessen entschied sie sich für eine Hochebene auf halbem Wege zum Gipfel und hoffte, dass sie von dort aus eine Möglichkeit finden würden, von oben zur Rettung zu schreiten. Die Hochlage hatte sie gewählt, weil sie den Ozean landeinwärts donnern hörte.
MacAllister starrte mürrisch aus dem Fenster in die flackernde Dunkelheit, während der Regen auf die Fähre trommelte.
Sie knurrten einander gegenseitig an und beklagten sich darüber, dass sie nur herumsitzen und nichts tun konnten. Spät am Abend schlief Mac endlich ein. Nightingale, dem nun niemand mehr zum Streiten blieb, hockte verdrießlich auf seinem Platz und rührte sich nicht, bis Kellie sich fragte, ob er überhaupt noch wach war. Gegen Mitternacht verlor sie endgültig den Kontakt zu Hutch.
Die Blitze zuckten die ganze Nacht. Kellie schlief unruhig, und als sie zwischendurch erwachte, hörte sie ihre Passagiere miteinander flüstern. Nightingale gestand, die Rettung verzögert zu haben, und übernahm die Verantwortung für Hutchs Situation. Kellie konnte sich vorstellen, was er dachte: Priscilla war dort geblieben, damit er gerettet werden konnte. Wieder einmal hatte eine Frau ihr Leben riskiert, um ihn zu retten. Zu ihrer Überraschung versicherte Mac ihm, das hätte jedem passieren können.
Der Kerl war schwer zu durchschauen. Der Welt begegnete Mac bezeichnenderweise mit einer zynischen Haltung. Dennoch hatte er sie gedrängt, einen Rettungsversuch zu unternehmen, obwohl sie ihm gesagt hatte, dass das nicht möglich war, nicht in der Dunkelheit, nicht bei diesem Wind. Sie hätten lediglich ihr eigenes Leben weggeworfen.
Seit Hutch und Nightingale an diesem Morgen aufgebrochen waren, um das Hexagon zu erkunden, hatte er nicht viel gesagt. Muss schwer für ihn sein, dachte sie. Er ist es gewöhnt, im Mittelpunkt zu stehen. Jeder nimmt ihn ernst, alle Welt hängt an seinen Lippen. Er nächtigt in den besten Hotels und erfreut sich, wo er geht und steht, des ungeteilten Medieninteresses. Und jetzt geht es plötzlich nur noch um das Überleben, das Gleichgewicht von Leben und Tod. Halt dein Leben fest, lass es nicht entschlüpfen. Niemanden kümmert noch, wer er ist. In den letzten zwölf Tagen war lediglich von Interesse gewesen, was er kann. Und die Realität offenbarte, dass er mehr zu tun imstande war, als sie je gedacht hätte.
Wenn sie nach Hause kämen – falls sie nach Hause kämen – würde sie Marcel bitten, Mac eine Belobigung auszusprechen. Das wäre wirklich etwas Besonderes: Gregory MacAllister zeigt sich in der Akademie, um seine Ehrung entgegenzunehmen. Er hatte sich nicht einmal beklagt, hatte nur leblose Objekte wie Jerry beschimpft. Er hatte innerhalb seiner physischen Grenzen alles Menschenmögliche getan und sich nicht als die ständige Plage gezeigt, für die sie ihn ursprünglich gehalten hatte.
»Mein Gott«, sagte er. In der Kabine war es abwechselnd hell und dunkel. Donner hallte durch die Nacht.
»Der hat den Fahrstuhl getroffen!«, keuchte Nightingale.
»Hutch!« Mac ergriff seinen Commlink und sagte: »Priscilla! Antworten Sie!«
Die Nacht war beinahe vorüber, und ihnen blieben noch fünf Stunden, bis Marcels Fangnetz sie erwarten sollte. Dennoch war es immer noch stockfinster. Nightingale lauschte mutlos dem Heulen des Windes. MacAllister kauerte sich hinter ihm zusammen und biss bei jedem neuen Blitz die Zähne zusammen.
MacAllister hatte sich nie mit dem Spitznamen Hutch anfreunden können. Das war ein Name für einen Lagerarbeiter, aber völlig unpassend für eine tapfere, wenn auch verwegene junge Frau. Manchmal fragte er sich, ob all diesen Leuten womöglich jegliches Feingefühl fehlte.
Er hatte begonnen, eine Huldigung für sie zu verfassen. Sie würde in Vierteljahresschrift für Abenteurer erscheinen, der Publikation, deren Herausgeber er sechs
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