Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
als kompetent und gelassen kennen gelernt. Vor zwanzig Jahren war sie fast zur Legende geworden, als sie die Expedition geflogen hatte, die die Omega-Wolken entdeckt hatte.
Marcel hatte sie um diese Mission beneidet. Zu dieser Zeit hatte er für Kosmik Inc. gearbeitet und sich alle paar Monate auf die lange Reise nach Quraqua begeben müssen, was eine absolut demotivierende Erfahrung gewesen war. Die Bezahlung war gut, die Aufstiegsmöglichkeiten auch, und er war ein ambitionierter Mann, der hatte weiterkommen wollen. Als sich das alles ereignet hatte, war Hutchins kaum mehr als ein Kind gewesen, aber der Vorfall hatte der Raumfahrt in der öffentlichen Meinung einen ganz neuen Glanz verliehen und Marcel zu der Einsicht verholfen, dass er genug davon hatte, beständig nach Nirgendwo und zurück zu fliegen. Binnen einiger Monate hatte er seine Stelle bei Kosmik gekündigt und in der Akademie angeheuert.
Er freute sich darauf, Hutch in seiner Nähe zu haben. Es war schon ein kurioser Zufall, dass ausgerechnet die Frau, die, wenn auch indirekt, eine bedeutende Rolle für den Verlauf seiner Karriere gespielt hatte, nun hier auftauchte. Sollte er am Ende eine Entscheidung bezüglich einer möglichen Existenz von Aliens treffen müssen, so wäre es hilfreich, ihre Meinung dazu zu hören.
»Stell sie durch«, sagte er.
Sie war gerade groß genug, die Mindestanforderungen für ihren Job zu erfüllen, hatte dunkle Augen, schwarzes, kurz geschnittenes Haar und lebendige Züge, die imstande waren, einen ganzen Raum zu erhellen, wenn ihr danach war. Sie begrüßte ihn mit einem breiten Lächeln. »Marcel«, sagte sie. »Schön, Sie wieder zu sehen. Wie ich gehört habe, haben Sie das große Los gezogen?«
»Mehr oder weniger. Denken Sie, das wird mir einen Bonus einbringen?«
»Wie üblich, nehme ich an.«
»Was wissen Sie bisher über die Sache?«
»Nur, dass es Hinweise auf Bewohner gibt. Ein Turm. Sind noch irgendwelche lebenden Bewohner auf dem Planeten?«
»Wir haben keine gesehen.« Er brachte sie auf den neuesten Stand. »Die Städte, von denen wir wissen, sind hier und da drüben; Hinweise auf ehemalige Bewohner finden sich an einem halben Dutzend Stellen.« Er benutzte eine Grafik, um sie ins Bild zu setzen. »Die größte Stadt liegt in Süd-Tempus.« Er zeigte ihr die Stelle. Die Stadt lag tief im Gletschereis begraben, und er konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich in der verbleibenden Zeit dorthin vorarbeiten konnte.
Wie viel Zeit blieb überhaupt noch?
»Die eigentliche Kollision wird etwa zur Tischzeit stattfinden. Am 9. Dezember. Wir nehmen aber an, dass der Planet schon etwa vierzig Stunden früher anfangen wird, auseinander zu brechen.« Man schrieb Samstag, den 25. November, es war spätabends. »Aber wir können es nicht mit letzter Sicherheit sagen. Sie sollten also das Glück nicht herausfordern.«
»Was wissen wir über die Einheimischen?«
»Nicht viel. Sie waren klein. Etwa so groß wie Fünfjährige, wie es aussieht. Und wir haben Spuren von ihnen auf vier Kontinenten gefunden.«
»Wo sollen wir Ihrer Ansicht nach landen?«
»Der Turm ist so gut wie jeder andere Punkt. Es sieht so aus, als könnten Sie mit einem Minimum an Grabungen hineingelangen. Aber es gibt einen Haken: Dieses Gebiet liegt direkt über einer Verwerfungslinie.«
Sie zögerte. »Denken Sie, die wird noch ein paar Tage stabil sein?«
»Keine Ahnung. Hier will niemand die Verantwortung für diese Art von Schätzung übernehmen.«
»Zeigen Sie mir, wo sie ist.«
»Sie liegt im Norden von Transitoria …«
»Wo?«
Marcel wies Bill an, eine Karte anzuzeigen.
Sie betrachtete die Karte, nickte und erkundigte sich nach dem großen Ereignis. »Was, präzise, wird passieren? Und wann?«
»In Ordnung. Gunther – Beekman, der Leiter der Mission – sagt, der Planet sollte bis zum Beginn des Zerfalls relativ stabil bleiben. Sobald die Instabilität jedoch einmal losgegangen ist, wird das Ende sehr schnell näher kommen, daher sollten Sie frühzeitig abfliegen. Ich schlage vor, Sie verlassen den Planeten eine Woche vorher. Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter. Gehen Sie hin, schnappen Sie sich Ihre Artefakte und verschwinden Sie.
Möglicherweise werden Sie Erdbeben oder schwere Stürme oder Ähnliches schon früher erleben. Wenn Deepsix in den so genannten Turner-Horizont eintritt, wird die Atmosphäre aufreißen, die Ozeane werden explodieren und die Kruste wird sich in Staub auflösen. All das wird innerhalb
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