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Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Epperson
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Ruinenstadt nach dem Weltuntergang, wie in einem Science-Fiction-Film. Die Straße, auf der sie fuhren, endete vor einer flachen, glänzenden Wasserfläche, die wie eine Fata Morgana wirkte. Wenn man daraufschaute, verschmolzen Wasser und Himmel in der Ferne wie bei einem richtigen See. Am öden Strand standen überall rostende Einkaufswagen. Ein dünner Mann stand am Ufer und angelte. Er drehte sich um und sah zu ihnen hinüber. Seine Sonnenbrille hatte ein blaues und ein rotes Glas.
    Gray wendete den Wagen und kehrte zurück zum Highway. Sie fuhren in Richtung Norden. Zu ihrer Rechten lag der See, zur Linken grüne Felder, so groß, dass auch sie wie Seen wirkten. Heruntergekommene Gestalten schufteten in gebeugter Haltung auf den Feldern. Als Schutz vor der Sonne trugen sie Handschuhe, langärmlige Hemden, Hüte und Schals, im Grunde sah man nur die Kleidung und nicht die Menschen dahinter. Als würde das Feld einem bösen Magier gehören, der die Menschen fortgezaubert hat und die Arbeit von den leeren Kleidungsstücken erledigen lässt.
     
    Die orange Fähre glitt über das grüne Wasser. Cicala saß unter freiem Himmel, die Hände in den Manteltaschen und einen Schal um den Hals. Der Wind zerzauste seine wenigen Haare. Er fuhr schon den ganzen Nachmittag mit der Fähre zwischen Manhattan und Staten Island hin und her. Mit der Fähre zu fahren hatte ihm schon immer Spaß gemacht. Als er noch ein Kind war, hatte die Fahrt zehn Cent gekostet. Jetzt war sie umsonst. Echt der Hammer.
    Grinsende Touristen standen an der Reling, posierten für Fotos mit der Freiheitsstatue im Hintergrund. Bald würde es für Fotos zu dunkel sein. Die Nacht würde sich wieder über der Stadt ausbreiten. Tag Nacht Tag Nacht Tag Nacht Tag Nacht. Wozu sollte das gut sein, verdammt noch mal?
    Er spürte die Vibration des Motors, sie hatte auch die Bank erfasst, auf der er saß. Eigentlich musste er pinkeln, und sein Hintern war schon ganz taub, aber er hatte keine Lust aufzustehen. Wozu würde das gut sein? Man steht auf und geht zur Toilette, und zehn Minuten später musste man schon wieder aufstehen und zur Toilette gehen.
    Er wartete auf Neuigkeiten. Aus dem Westen. Handys hatten den Vorteil, dass man den ganzen Tag mit der Fähre fahren konnte und trotzdem erreichbar blieb. Das war allerdings auch ihr Nachteil.
    Gina war eine miese Ehefrau gewesen und eine noch schlechtere Mutter, weil sie Luke einer solchen Gefahr aussetzte. Sie hatte mehr als verdient, was jetzt mit ihr passieren würde. Er wünschte nur, dass er das selbst erledigen könnte. Es war schon komisch. Er hatte jede Menge Mordaufträge erteilt, aber noch nie selbst jemanden umgebracht. Dabei war er wirklich ein harter Kerl gewesen. Er hatte Lippen blutig geschlagen, einigen Kerlen die Nase und die Knochen gebrochen. Aber niemals diesen endgültigen Schritt. Den Tod hatte er delegiert, so wie der Präsident. Wenn man Präsident war, wurde man Oberkommandierender genannt. Als privater Bürger hieß man dagegen Gangster oder Mafioso.
    Bobby kam an Deck und brachte zwei Styroporbecher mit Kaffee. Den einen gab er Cicala.
    «Hier friert einem ja der Arsch ab», sagte Bobby. «Ist dir nicht kalt?»
    Natürlich. Er wollte ja frieren. Man sagt, den Toten sei kalt, aber das ist falsch. Die Toten spüren gar nichts. Nur den Lebenden ist kalt.
     
    In seinem blütenweißen Jackett ging Okafor auf ihn zu. Würdevoll trug er ein silbernes Tablett. Darauf befanden sich ein Sandwich und eine Tasse Tee.
    Er stellte das Tablett neben dem Ellbogen von Mr. Li auf den Tisch.
    «Vielen Dank, General Okafor.»
    Okafor war inzwischen nicht mehr General, aber er war es mal, damals in Nigeria. Bevor das Kriegsglück oder, besser gesagt das Unglück ihn gezwungen hatten, in eine andere Branche zu wechseln. Er konnte froh sein, als Steward auf der
Invictus
zu arbeiten. Es war ein guter Einstiegsjob, um es im System zu etwas zu bringen. Und wer wollte es nicht gern im System zu etwas bringen?
    Okafor verbeugte sich und ging.
    Es war ein langer Tag gewesen. Mr. Li war bisher noch nicht zum Essen gekommen. Er nahm einen Schluck Tee und griff nach dem Sandwich. Ein Panino mit gegrillten Shrimps, das aß er am liebsten.
    Er biss ab, kaute und biss wieder ab, dann machte sein Apple ein Pling wie ein Echolot. Er hatte eine E-Mail bekommen, an eine Adresse, die für äußerst wichtige Mitteilungen reserviert war.
    Sie war von Groh. Schon wieder. Er hoffte, die Nachrichten waren besser als beim letzten

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