Hyänen
nahm Schuss um Schuss entgegen, als wollte er einen Rekord aufstellen, wie lange man sich unter Beschuss aufrecht halten kann. Vielleicht lag das an der Kombination aus Mantel, Körperfett und der durch die Schalldämpfer reduzierten Schlagkraft ihrer Waffen. In Anbetracht dessen, was ihm gerade widerfuhr, gab er merkwürdig leise Geräusche von sich.
Ah! Ah! Ah!
Als stünde er vor dem Badezimmerspiegel und würde sich mit einer Pinzette die Nasenhaare entfernen. Mit einer Kugel in die Stirn war dann alles vorbei.
«Markus!»
Bulgakov zeigte zur anderen Straßenseite. Dort stand ein Mann mit seinem Hund unter der Laterne. Er starrte sie an. Dann waren Mann und Hund verschwunden.
Für einen Schuss war die Entfernung viel zu groß. Bulgakov rannte ihm nach, vorbei an den beiden Streifenwagen, die vor dem Haus standen.
Der Mann hörte Bulgakovs Schritte auf dem Pflaster. Erkannte mit Schrecken, dass einer der Mörder ihn verfolgte. Sein Hund, ein brauner, mittelgroßer Köter, lief an der Leine neben ihm her, seine langen Ohren wackelten.
«Los, Lewis, lauf!»
Sie erreichten die Straßenecke und bogen ab. Er war Apotheker, konnte nachts schlecht schlafen. Vor zwanzig Jahren war er Läufer bei den Brady Bobcats gewesen und hatte sich einigermaßen fit gehalten, er trug Turnschuhe und lief ziemlich schnell. Er drehte sich um, sah Bulgakov um die Ecke kommen, er wedelte mit den Armen und fuchtelte wütend mit seiner Pistole herum, die im Licht einer Straßenlaterne schimmerte. Der Mann begriff: Er war schneller als er und kam näher. Er schrie zu den stillen Häusern hinüber: «Hilfe! Hilfe! Ruft die Polizei! Ruft die Polizei!»
Die Luft an seinem Ohr knackte, als eine Kugel vorbeiflog. Er dachte
Ich werde beschossen
, dabei stolperte er und verlor die Leine, als er mit rudernden Armen versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Dann traf ihn eine Kugel in den Rücken. Er fiel hin und rollte über die Straße. Das raue Pflaster zerkratzte sein Gesicht, aber das spürte er nicht. Er stemmte sich hoch auf Hände und Knie. Sechs Meter vor ihm wartete sein Hund. Er drehte sich um und bellte, wusste nicht, was er tun sollte. «Lauf, Bursche!», wollte er rufen, aber er brachte nur ein Flüstern hervor. Dann stand Bulgakov über ihm. Die Pistole ploppte zweimal leise, und der Apotheker sackte zusammen.
Bulgakov keuchte. Kondensierter Atem strömte aus seinem Mund. Er hob die Patronenhülsen auf, die auf die Straße gefallen waren. Der Hund lief hin und her und bellte, im Umkreis schlossen sich weitere Hunde solidarisch an. In einem Haus ging Licht an. Bulgakov steckte die Patronenhülsen in die Tasche und sah den Hund an.
Hinter ihm kamen Scheinwerfer um die Ecke. Er drehte sich um und sah ihnen entgegen. Bereit zu töten. Aber es war Groh mit dem Neon.
«Los, Dima! Schnell!»
Bulgakov sprang hinein, und der Wagen fuhr mit heulendem Motor davon.
Lewis lief zurück zur Leiche des Apothekers, seine Leine zog er hinter sich her.
Gray konnte nicht einschlafen. Er lag im Bett und sah sich alte Filme an.
Nancy Drew and the Hidden Staircase.
Der Schlittenhund saß in der Nähe der Tür auf dem Boden und kaute auf dem Nylabone-Knochen herum, den Gray ihm gekauft hatte. Jetzt stand er auf, streckte sich und kam zum Bett herüber. Er sah zu Gray empor. Sein eines Auge war vernarbt und trüb, das andere leuchtend braun.
«Komm ruhig rauf, Bursche. Na los, spring.»
Er klopfte aufs Bett, und der Hund sprang herauf. Er ging zum Fußende, drehte sich ein paarmal hin und her und ließ sich dann fallen. Den Kopf legte er auf Grays Knie. Er blinzelte, dann wurden seine Augenlider schwer. Er gab einen Seufzer von sich. Manchmal klingt ein Seufzer angestrengt, aber das war hier nicht der Fall. Es war eindeutig ein Seufzer vollständigen Wohlbefindens.
Gray wünschte sich, dass auch seine Welt so naiv und klar geordnet wäre wie die von Nancy Drew. Die Ereignisse des Vormittags liefen wieder und wieder in seinem Kopf ab. Vielleicht hatte Gina recht, und es war keine gute Idee gewesen, den Hund zu retten. Vielleicht war es nicht richtig gewesen, Luke allein zurück ins Motel zu schicken – nicht, weil es gefährlich war, sondern weil Gina ihm die Verantwortung übertragen hatte und das nicht wollte. Wenn man erst einmal die Schwelle zur Gewalt übertreten hat, kann so gut wie alles passieren. Es hätte ganz anders ausgehen können. Der Typ mit dem Tattoo hätte anstelle des Totschlägers eine Pistole haben können, dann wäre er
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