Hybrid
zuzuschlagen, dachte er.
Juli schlüpfte unter seinem Arm hindurch und ging zielstrebig ins Wohnzimmer. »Machst du mir noch mal einen Kaffee?«
Tom folgte ihr. »Ist kaputt«, log er, setzte sich neben sie und klappte seinen Laptop auf. Neben dem Rechner lag die Mappe mit den Unterlagen von der Insel.
»Also gut«, begann er, »diese Unterlagen hier haben zwar nichts darüber verraten, was genau auf der Insel ablief, aber immerhin eines ist sicher: Es gab dort definitiv wissenschaftliche Labors. Dies hier sind Lieferscheine für Chemikalien, medizinische Gerätschaften und Utensilien. Ich habe einiges davon im Netz recherchiert, und wie es aussieht, hat man damit ein Lazarett und mindestens einen Operationssaal ausgerüstet.«
Er reichte ihr die Mappe. Juli klappte sie auf und blätterte die Papiere durch.
»Du hast recht. Das ist medizinisches Equipment. Und sehr modernes noch dazu.«
»Interessant an den Unterlagen ist, dass die Lieferadressen alle unterschiedlich sind. Es handelt sich dabei um verschiedene Lagerhäuser im Hamburger Freihafen. Von dort aus müssen die Sachen dann auf die Insel geschafft worden sein. Ich habe herausgefunden, dass diese Lagerhäuser alle der gleichen Firma gehören oder von ihr angemietet wurden: Transcontor.«
»Transcontor? Was ist das für eine Firma?«
»Als Firmensitz ist Frankfurt angegeben, und laut dem dortigen Handelskammerregister ist es ein Handelsunternehmen. Import und Export. Mehr ist über die Firma allerdings nicht zu erfahren. Keine Website, keine Erwähnungen im Internet oder in der Presse.«
»Und wer ist der Inhaber?«
»Ja, da wird es interessant«, erklärte Tom und startete ein Computerprogramm. Kurz darauf erschien eine Grafik aus einer Vielzahl von Rechtecken, die durch Linien miteinander verbunden waren.
»Das sind die Verflechtungen, die ich aufgedeckt habe.« Er deutete auf die einzelnen Boxen. »Das hier ist Transcontor. Sie besitzt die Lagerhäuser oder hat sie gemietet. Inhaber von Transcontor ist ein gewisser Jean-Pierre Dubois. Er leitet noch eine andere Firma in Liechtenstein mit dem Namen TGM Trading International. Diese Firma ist Hauptgesellschafter der Reederei Validora. Validora wiederum taucht in den Lieferpapieren mehrfach auf, es handelt sich dabei nämlich um die Reederei, deren Schiffe einen Teil der Chemikalien und Ausrüstungsgegenstände nach Hamburg gebracht haben.«
»Dann ist dieser Dubois für alles verantwortlich?«
»Es geht noch weiter«, sagte Tom. »Denn Dubois ist zwar Geschäftsführer in Liechtenstein, aber Kapitaleigner und somit vermutlich tatsächlicher Drahtzieher der TGM Trading International ist eine Investmentfirma aus Zürich mit dem Namen MediCapital Invest. Die Schweizer Datenbanken sind überraschend auskunftsfreudig, und so habe ich noch eine ganze Menge weiterer Objekte gefunden, in die von Zürich aus investiert wird. So hängen zwei der größten Schweizer Pharmaunternehmen mit zwanzig und fünfunddreißig Prozent Anteilen am Finanztropf von MediCapital Invest. Die Firma ist auch alleiniger Investor einer hypermodernen medizinischen Forschungseinrichtung in Bern. Außerdem verwaltet sie die Gelder einer Krebsstiftung in Genf.«
Juli verfolgte Toms Erläuterungen auf dem Schaubild, das alle Verbindungen und Namen enthielt.
»Ich habe mir MediCapital näher angesehen. Geschäftsführer ist ein gewisser Luc Gironde. Aber wie im Fall der Liechtensteiner Firma ist er lediglich der eingesetzte Manager. Gründer und Kapitaleigner ist jemand anders: Dr. André Villiers.«
Tom deutete auf seinem Rechner auf eine Reihe von Fotografien, auf der der Mann – mal jünger, mal älter – zu sehen war. Er war schlank und groß, seine Haare bildeten schon in mittlerem Alter einen dürren Kranz, in späteren Jahren trug er eine Glatze. Seine Augen hatten eine stechende, autoritäre Ausstrahlung.
»Ein interessanter Typ«, fuhr Tom fort. »Ein Schweizer. Karrierestart als Arzt in St. Gallen. Dann wurde er zur medizinischen Koryphäe und zum Visionär. In den Siebzigerjahren war er laufend in der Fachpresse. Hat einige bahnbrechende Entdeckungen in der Krebsforschung und der Immunologie gemacht. Dann ist es ruhig um ihn geworden, tragische Familiengeschichte, persönliche Gründe, was auch immer. Jedenfalls hat er sich zurückgezogen. Er muss heute über siebzig sein. Spannend war aber dann Folgendes: In der Zeit, kurz bevor die Hamburger Regierung entschieden hatte, die Krankenhäuser zu privatisieren, ist
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