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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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hinterlassen.« Er zeigte ihr die goldene Kette. Juli nahm sie mit zitternden Fingern entgegen, betrachtete sie kurz und schloss dann die Hand fest darum.
    »Der einzige Grund, weswegen er uns aufgesucht hat und uns Hinweise gibt, muss sein, dass er uns etwas Wichtiges zeigen will.« Er hätte die Kette wohl kaum einer Toten entwendet, dachte Tom, aber er wagte nicht, es auszusprechen. »Wahrscheinlich ist sie in dem Dorf des Indios und braucht Hilfe.«
    Juli nickte kaum merklich.
    »Wir sollten uns auf den Weg machen«, meinte Tom. »Bessere Chancen, sie zu finden, hatten wir nie. Wir sollten froh sein und uns jetzt beeilen.«
    Juli fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ja«, sagte sie schließlich. »Sicher hast du recht.« Sie hängte sich die Kette um den Hals, steckte das Buch in den Rucksack und schnallte ihn sich um.
    »Wo ist der Speer?«
    »Ich habe ihn dem Indio dort hinterlassen, wo er die Kette deponiert hatte. Ich hoffte, dass er ihn als Geschenk annehmen würde.«
    »Das war eine gute Idee«, sagte Juli und lächelte. »Sieh mal dort.«
    Tom folgte ihrem Fingerzeig, und tatsächlich stand dort, etwas weiter flussaufwärts, erneut der Indio. Und er trug den Speer. Als er sah, dass sie ihn entdeckt hatten, winkte er mit der Waffe. Er ging ein paar Schritte, wandte sich um und winkte dann erneut. Sie sollten ihm folgen.

Kapitel 12
Urwald südwestlich von Manaus, Brasilien, 31. Juli
    D er buckelige Indio eilte ihnen voraus, vom Fluss fort und durch den Urwald. Er durchbrach das Unterholz und überwand die schwierigsten Passagen ohne sichtliche Anstrengung. Er blieb immer wieder stehen, um zu warten, bis sie ihn entdeckt, den Weg gefunden und sich ihm genähert hatten. Allerdings ließ er sie nie so nah herankommen, dass sie ihn sich hätten genauer ansehen können. Er blieb kaum mehr als ein dahineilender Schatten, eine Figur in der Ferne.
    Dem Mann zu folgen, war anstrengend, und sein Weg wirkte ziellos, schien bisweilen regelrecht in Kreisen zu führen. Aber wenn zu beiden Seiten die Brettwurzeln meterhoch emporragten und Baumstämme, Unterholz und Wurzelgeflechte alles andere um sie herum versperrten, stellte Tom fest, dass sie offenbar die einzig gangbare Passage verwendeten und dass der Indio sehr genau wusste, wo er sie entlangführte.
    Eine Stunde später mussten Tom und Juli verschnaufen und etwas trinken. Als der Indio sich das nächste Mal umsah, streckte Tom den Arm in die Höhe, dann blieben sie stehen und legten eine Pause ein. Der Indio wartete in einiger Entfernung. Tom hob die Wasserflasche an, um sie ihm zu zeigen und ihm anzubieten, aber der Mann reagierte nicht.
    »Er will wohl nicht, dass wir ihm zu nahe kommen«, meinte Juli. »Ich habe das Gefühl, er ist ganz furchtbar missgestaltet. Nicht nur der Buckel, meine ich. Seine ganzen Proportionen stimmen irgendwie nicht. Und manchmal sieht seine Haut ganz uneben aus, je nachdem, wie das Licht darauf fällt.«
    »Ja, das ist mir aufgefallen. Aber er ist so flink … Er wirkt nicht krank, sondern so, als sei er schon von Geburt an fehlgebildet gewesen und hätte sich daran gewöhnt.«
    Sie wagten nicht, allzu lange zu pausieren, und machten sich nach einigen Minuten auf den Weg.
    »Ich hoffe, dass er nicht vorhat, uns noch tagelang so zu hetzen«, sagte Tom. »Wir müssen den ganzen Weg auch noch zurück.«
    »Immerhin können wir mit dem GPS -Gerät den Rückweg finden«, sagte Juli. »Sonst würde ich mir erhebliche Sorgen machen. Ich habe inzwischen total die Orientierung verloren.«
    Der Indio führte sie stetig tiefer in den Regenwald. Den Fluss bekamen sie nicht mehr zu Gesicht. Stattdessen ging es durch den sich ständig ändernden Urwald, der schließlich zu einem grünen Einerlei wurde, durch das Juli und Tom sich quälten, fast willenlos, immer nur den Indio vor Augen. Am späten Nachmittag war es schließlich so weit.
    Der Indio verschwand vor ihnen, und als sie die Stelle erreichten, an der sie ihn zuletzt gesehen hatten, blieben sie einen Augenblick unschlüssig stehen.
    »Das kann ja jetzt wohl nicht alles gewesen sein«, meinte Tom. Doch als er sich umsah, entdeckte er den Mann in einiger Entfernung auf gleicher Höhe mit ihnen. Er wies mit dem Speer in eine Richtung, deutete ihnen an, dass sie weiter geradeaus gehen sollten. Er hatte offenbar vor, zurückzubleiben.
    Vor ihnen zog sich quer durch den Wald eine Mauer aus undurchdringlichem Unterholz, das sich fast vier Meter hoch auftürmte. Ein Gewirr aus

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