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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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der Aufschrift » Surgery « lasen: Chirurgie.
    Sie betraten einen kargen Trakt des Gebäudes. In der Luft hing ein Geruch nach frischem Gummi und Chlor. Auch hier brannte nur eine sparsame Nachtbeleuchtung.
    »Okay, jetzt wird’s spannend«, sagte Tom. Er versuchte, sich einzureden, dass er einer heißen Fährte folgte, dass sie großartige Entdeckungen machen würden. Aber tatsächlich war dieses der Teil des Gebäudes, von dem er am liebsten am weitesten entfernt wäre. Der Gestank, der Unrat und die verformten und mit Geschwüren übersäten Menschen im Keller stellten schon die Grenze dessen dar, was er ertragen konnte. Aber was er sich am wenigsten ausmalen mochte, das waren Krankenhäuser, Skalpelle, Knochensägen, geöffnete Bauchhöhlen, Operationen am pulsierenden Herzen, Blut und abgetrennte Körperteile, die von Gliedmaßen zu Fleischklumpen wurden. Und trotzdem mussten sie auch hier nach Julis Schwester suchen. Vielleicht sogar gerade hier.
    »Vielleicht solltest du die Führung übernehmen«, schlug er Juli vor. »Du kennst dich mit solchen Sachen besser aus.«
    Die ersten beiden Räume, die sie sich ansahen, waren Krankenzimmer mit jeweils vier Betten, die an hochmoderne Ausrüstung angeschlossen waren. Die Geräte waren nicht eingeschaltet, aber Juli erklärte, dass man hiermit Vitalfunktionen überwachen konnte. Außerdem gab es Beatmungsgeräte, Defibrillatoren und Monitore.
    »Willst du das fotografieren?«, fragte Juli.
    »Es ist zu dunkel, und ich will uns nicht durch das Blitzlicht verraten. Wer weiß, von wo man es sehen könnte.«
    Sie setzten ihren Weg fort und kamen in ein chromglänzendes Labor, das von Stahlschränken dominiert wurde. Einige erinnerten beunruhigend an liegende Sarkophage, andere standen an der Wand. Juli öffnete einen davon. Eine Wolke kalten Dampfes waberte ihr entgegen. Aus dem Eisnebel ragten weiß verkrustete Behälter und Reihen von Reagenzgläsern heraus.
    »Hier werden Proben aufbewahrt«, erklärte Juli. »Gewebe, Blut, Samen, solche Sachen.«
    Juli wies auf einen anderen der Schränke, der ein Warnzeichen mit der Aufschrift » Biohazard « trug.
    »Den dort sollten wir in Ruhe lassen. Da sind gefährliche biologische Substanzen drin. Vielleicht kontaminiertes Material, Bakterienkulturen. Viren oder Impfstoffe.«
    Tom sträubten sich die Nackenhaare. Was diese Leute hier trieben, ging offenbar weit über reguläre medizinische Arbeit hinaus. Vielleicht waren die Menschen im Keller allesamt infiziert? Vielleicht hatten er und Juli sich schon längst mit exotischen Urwaldviren angesteckt. Er bekam das dringende Bedürfnis, diesen Ort auf schnellstem Weg zu verlassen, sich zu duschen oder, besser noch, sich untersuchen zu lassen. Der Gedanke, dass ein tödlicher Erreger sich vielleicht in diesem Moment schon durch sein Blut oder sein Gehirn fraß, ließ ihn erschaudern.
    Sie verließen das Labor und untersuchten den nächsten Raum. Es war ein Umkleideraum mit Spinten und Waschbecken. Tom ahnte, wo es von hier aus hinging, und tatsächlich gelangten sie hinter dem nächsten Durchgang in einen Operationssaal. Er war kalt, roch metallisch nach Desinfektionsmitteln, und er war von gewaltigem Ausmaß. An vier voluminösen OP -Tischen, die von übergroßen Scheinwerfern überragt wurden, konnte hier gleichzeitig gearbeitet werden, ohne dass sich die Teams gegenseitig behindern würden. Der Boden war gefliest, Abflussrinnen führten zu einer Senke in der Mitte des Raums, die mit einem kleinen Gitter bedeckt war.
    »Raus hier«, murmelte Tom.
    »Hm?«
    »Lass uns raus hier«, wiederholte Tom etwas deutlicher. »Das hier ist nichts für mich …«
    Juli führte Tom aus dem OP . Sie wusste inzwischen, dass er in mancher Hinsicht empfindlicher war als sie, und sie rechnete es ihm hoch an, dass er sich trotzdem mit ihr durch diese Anlage schlich, um Marie oder Hinweise auf ihr Verschwinden zu finden.
    Vom Operationssaal aus gelangten sie in einen Flur, von dem aus zahlreiche Türen abzweigten, über denen jeweils eine kleine grüne Lampe pulsierte. Die Schilder neben den Türen enthielten unerklärliche Begriffe und Codezahlen, die wie Seriennummern aussahen.
    Juli legte ihre Hand auf eine Türklinke und sah Tom an. »Sollen wir?«
    »Wir müssen.«
    Der Anblick, der sich ihnen bot, erinnerte an eine Mischung aus Intensivstation und Hightech-Labor. Unerklärliche Gerätschaften gaben leise piepsende Geräusche von sich, diverse Konsolen erhellten den Raum mit bläulich

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