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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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das sie sah, Tom hatte das Gefühl, es mit ihr teilen zu müssen.
    Er ächzte laut, als sein Blick in den Inkubator fiel, und krallte sich mit einer Hand an Julis Arm.
    Das Wesen im Inkubator lag ausgestreckt auf dem Rücken. Die Gliedmaßen des Mannes waren am Boden festgeschnallt, breite Metallmanschetten verliefen über den Hals und über das Becken und hielten den Körperfest. Die Haut war übersät mit Geschwüren, als befänden sich dicke Knollen direkt unter der Oberfläche. Borstige Haare, wie Juli sie beschrieben hatte, wucherten an den Beinen, im Schambereich und über den Bauch. Aber diese Details sickerten erst stückweise in Toms Bewusstsein, denn was seinen Blick gefangen hielt, war der Brustkorb des Menschen. Er war offen. Wie die Seiten eines dämonischen Buches war die Haut des Brustkorbes nach beiden Seiten aufgeklappt und wurde mit Klammern festgehalten. Im Brustkorb waren einige Rippen durchtrennt worden, und in der entstandenen Höhle war der Bereich des Herzens freigelegt. Und ein Herz war dort tatsächlich zu sehen, es schlug und pumpte Blut durch fingerdicke Adern, die offenbar frisch zusammengenäht worden waren. Ein halbes Dutzend feiner Elektroden steckten im Herz und in den Adern. Eine Düse im Kasten erzeugte einen feinen Sprühnebel, der für andauernde Feuchtigkeit sorgte. Über dem Kasten, direkt auf den Brustkorb gerichtet, befand sich eine langsam blinkende Kamera.
    Als Toms Blick sich vom albtraumhaften Bild des geöffneten Brustkorbes löste und zum Kopf des Mannes wanderte, erfasste ihn das blanke Entsetzen.
    Der Kopf lag leicht erhöht auf einer kleinen Nackenstütze. Auch hier wurde beständiger Nebel gesprüht und benetzte den Schädel. Von der Stirn bis zum Hinterkopf des Mannes war die Schädeldecke entfernt worden. Die weißliche Masse des Gehirns lag frei. Auch hier waren unzählige Elektroden angebracht, die sich zu einem dicken Kabel bündelten und zu einem Anschluss am inneren Kopfende des Kastens führten.
    Weder Tom noch Juli waren fähig, zu sprechen. Was sie vor sich sahen, lag weit jenseits aller menschlichen Vorstellungskraft. Sie hatten ein Kabinett des Grauens betreten, das sich in ihre Seelen fraß und von dem es kein Entrinnen gab.
    Tom spürte, wie ihm kalt wurde. Er wankte, fühlte, wie sich das Blut aus seinem Kopf zurückzog. Seine Sicht verschwamm, aber er konnte sich nicht vom entsetzlichen Anblick des bei lebendigem Leibe obduzierten Menschen lösen.
    Da öffnete der Mann flackernd die Augen.
    Tom keuchte.
    Der zur Regungslosigkeit Verdammte sah erst suchend umher, dann erfasste er Tom und Juli mit seinen wässrigen Augen. Er krallte seine Hände zusammen und bewegte den Mund. Doch durch das Glas des Inkubators war nur ein dumpfes Gemurmel zu hören.
    Juli streckte langsam eine Hand aus, legte sie flach auf die Seite des Glases, hinter der die Hand des Mannes lag.
    Noch einmal bemühte sich der Mann zu sprechen. Er krampfte sich zusammen, sein Herz pumpte schneller, er brüllte, und dieses Mal war seine Stimme zu hören. Dann sackte er wieder in sich zusammen, und seine Augen schlossen sich.
    Tom sank auf die Knie. Er zitterte und spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Er setzte sich auf den Boden, dann lehnte er sich mit dem Rücken an eine der großen Maschinen, legte den Kopf in den Nacken und bemühte sich, tief und gleichmäßig zu atmen.
    »Was …«, stieß er nach einer Weile aus, »was hat er gesagt?«
    Juli setzte sich neben ihn und schloss die Augen.
    »Er hat gesagt: ›Töte mich‹.«
    Tom schwieg eine Weile, bemüht, seine Übelkeit niederzuringen. Aber die Bilder schienen sich in seinen Kopf gebrannt zu haben.
    »Wo sind wir hier nur hingeraten«, sagte er halblaut.
    Juli wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als mit einem Knall die Tür des Raums aufgestoßen wurde und fast zeitgleich die Deckenbeleuchtung zu gleißender Helligkeit erwachte. Zwei Männer mit erhobenen Waffen traten auf Tom und Juli zu.

Kapitel 13
Labor M2 – Brasilien, 31. Juli
    W illkommen in Brasilien!« Der Mann mit dem Kinnbart sprach akzentfreies Deutsch. Er lächelte unverbindlich und wies auf zwei Stühle, die an einer Wand seines schmucklosen Büros standen. »Setzen Sie sich.«
    Die beiden Wachleute postierten sich neben Tom und Juli und hielten ihre Waffen im Anschlag. Der eine von ihnen war der glatzköpfige Brasilianer, der sie schon in Hamburg verfolgt hatte. Er musterte Tom und Juli mit Blicken voller Geringschätzung und gehässiger Vorfreude.
    »Ich gehe

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