Hymne an Die Nacht
CD -Gerätes.
Nach den ersten Takten straffte sich Joanna in ihrem Sitz. »Sind das nicht die Musiker von deiner Party?«
»Genau, du hörst die ›Dracula Gypsy Band‹. Einen so albernen Namen hätten sie nicht nötig, finde ich, das sind alles hochkarätige Musiker, und der Solist hat Weltklasseniveau.«
»Ja«, murmelte sie, »ich habe ihn am Abend meiner Ankunft in Bukarest schon einmal erlebt. In einem Restaurant.«
»Erzähl mir davon«, drängte er sie.
»Ach, lieber nicht«, wehrte sie ab, »es fällt mir schwer, so etwas in Worte zu fassen. Ich weiß nur, dass ich seit dem Abend begriffen habe, was Musik in Menschen auslösen kann.« Sie lächelte vor sich hin. »Deshalb war ich so überrascht, dass du ausgerechnet diese Musiker für dein Fest engagiert hattest.«
Sie summte leise mit und ihre Füße wippten im Takt, bis sie mit einer jähen Handbewegung den Ton abstellte und das Fenster einen Spalt öffnete. In angepannter Haltung spähte sie hinaus und lauschte auf die Geräusche der Nacht.
»Was ist?«
»Da war etwas«, wisperte sie, »gibt es hier Bären? Oder Wölfe?«
»Ja, aber …«
»Hast du das nicht gesehen? Diesen Schatten neben dem Weg?«
»Joanna, du musst dich nicht fürchten. Wir sitzen im Wagen, hier kann uns nichts passieren. Außerdem habe ich für alle Fälle eine Waffe dabei. Es gibt Bären in dieser Gegend, aber sie halten bereits Winterschlaf. Und die Wölfe sind sehr scheu, sie kommen nur dann in die Nähe der Menschen, wenn sie sonst keine Nahrung mehr finden.«
Das war zwar ein bisschen gelogen, denn manche der Tiere zeigten inzwischen ein abweichendes Verhalten, doch Vadim hoffte, Joanna mit diesen Erklärungen beruhigen zu können.
»Unser Mondschein-Picknick wird an einem sicheren Ort stattfinden«, versprach er ihr, »und wir bleiben im Wagen. Falls dir die Idee noch immer gefällt.«
Er war an den Straßenrand gefahren. Bei laufendem Motor hielt er an. »Ich kann verstehen, wenn dir das jetzt alles zu unheimlich wird. Sollen wir umkehren und das Picknick in mein Haus verlegen? Vor ein anheimelndes Kaminfeuer?«
Sie wandte ihm das Gesicht zu. Im Halbdunkel konnte er ihre Augen nicht sehen, doch da leuchtete etwas in ihnen auf, ein Glitzern oder vielleicht auch nur ein Funkeln, das an ein nächtliches Tier erinnerte und gleich darauf erlosch. Er hatte es sich wohl nur eingebildet, denn sie sagte mit ruhiger Stimme: »Danke, dass du dich so um mich sorgst, aber ich habe keine Angst. Und auf diesen Ausflug habe ich mich vom ersten Moment an gefreut.«
Von hinten näherte sich ein Wagen mit abgeblendeten Scheinwerfern und fuhr in gemächlichem Tempo an ihnen vorbei. Vadim konnte nur erkennen, dass es ein Fahrzeug mit Bukarester Nummer war, und wunderte sich. Um diese Jahreszeit und zu dieser Stunde war auf dieser Route kaum jemand unterwegs, schon gar nicht Fremde aus der Hauptstadt.
Vadim warf einen Seitenblick auf Joanna, die sich in ihrem Sitz leicht aufgerichtet hatte, doch da sie nichts sagte, fuhr er langsam weiter. Er fühlte sich unbehaglich, wollte ihr aber die Freude nicht verderben. Wenn ihr so sehr an einem Mondschein-Picknick in den Karpaten lag, sollte sie es auch bekommen.
*
Der private Ermittler wollte an diesem Abend noch seinen Bericht verfassen und ihn per Mail an seine Agentur in Bukarest schicken.
Er hatte schon manches in Erfahrung bringen können, das den Kunden interessieren dürfte. Der eigentliche Auftraggeber hatte sich bisher nicht zu erkennen gegeben, das Ganze war durch einen Mittelsmann an ihn weitergeleitet worden. Nachdem dieser Vermittler ihm erklärt hatte, Geld spiele keine Rolle, für ihn zählten nur klare und vor allem sehr rasche Resultate, hatte er als Chef der Bukarester Filiale sofort beschlossen, sich der Sache selbst anzunehmen.
Sie gehörten zu einer international operierenden Firma von Detektiven, die Observierungen aller Art anbot, das Übliche eben, allerdings auf hohem Niveau, mit bestens ausgebildeten Mitarbeitern und sämtlichen technischen Möglichkeiten. Die Erfolgsquote war hoch, das Honorar auch. In den Filialen arbeiteten sie auf eigene Rechnung. Aber nicht nur deshalb hatte ihn dieser neue Fall von Beginn an elektrisiert, er spürte, dass sich hinter der Geschichte etwas wirklich Geheimnisvolles und Dunkles verbarg.
Der Mittelsmann hatte Englisch gesprochen, mit unverkennbar russischem Akzent. Vielleicht war er der Auftraggeber selbst und gab sich nur als Handlanger eines Chefs aus, der sich die Hände
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