Hype: Thriller (German Edition)
Hand nicht los, sondern packte HP jetzt zusätzlich noch am Ellbogen.
»Ja, mir ist schon aufgefallen, dass ihr offenbar gut miteinander auskommt …«, sagte er lächelnd. »Freundschaft ist wichtig, fast so wichtig wie Loyalität. Oder etwa nicht, Magnus?«
*
Im Grunde genommen verstand sie nicht, wieso sie zugesagt hatte. Ein Abendessen mit einem Fremden, als ob sie nicht schon genug Sorgen hätte. Aber John hatte etwas Verlockendes, etwas, das sie immerhin für kurze Zeit ihren Kummer vergessen ließ.
Eigentlich sollte sie die Verabredung abblasen. Das wäre das Vernünftigste. Aber sie hatte keine Lust mehr, vernünftig zu sein. Keine Lust, ständig Regina Rechtens zu sein …
*
»Mange, Mange Sandström? Das bist doch du, oder?!«
Der hochgeschossene sonnengebräunte Mann war aus dem Nichts aufgetaucht, während alle noch an ihren Sektgläschen nippten.
Das Restaurant lag in der Nähe des Strandvägen, und Rilke zufolge wohnte Philip ganz oben im selben Haus. HP war sich nicht sicher, was ihn am meisten irritierte, der leicht bewundernde Ton, mit dem Rilke über ihren Chef sprach, oder die Tatsache, dass sie ihn plötzlich vollkommen ignorierte, um Networking mit Philips Geschäftskontakten zu betreiben. Und seine Laune wurde nicht besser dadurch, dass er bei Orangensaft bleiben musste, während alle anderen sich an der Open Bar gütlich taten.
»Grüß dich!«
Er schüttelte die ausgestreckte Hand des Mannes und versuchte so auszusehen, als krame er in seinem Gedächtnis nach dessen Namen.
»Stoffe. Kristoffer Stensson«, half ihm der Mann, »du warst zwei Jahre unter mir auf der Technischen Hochschule, aber du hattest die meisten Kurse mit uns.«
»Ach ja, richtig«, murmelte HP. »Stoffe, du bist es. Schön, dich wiederzusehen!«
Das war also der berühmte Stoffe. Der Typ sah aus wie ein Ableger des Chefs: maßgeschneiderter Nadelstreifenanzug, blendend weißes Hemd und eine schwarze Krawatte mit einem perfekten doppelten Windsor-Knoten. Sogar die Brille und die Kurzhaarfrisur glichen sich, aber Stoffe war mindestens eins fünfundachtzig und damit zehn Zentimeter größer als sein Idol.
»Ehrlich gesagt habe ich Philip nicht geglaubt, als er mir erzählte, dass Mange Sandström bei uns angefangen hat. Ich dachte, es gäbe noch einen anderen mit demselben Namen, aber jetzt erkenne ich dich. Also, versteh mich nicht falsch …« Er hob abwehrend die Hände. »… Argus-Eye in allen Ehren, aber du warst ja so etwas wie ein Wunderkind auf der KTH. Du hast bestimmt eine Menge interessanter Angebote bekommen, da konnte ich mir nicht vorstellen, wieso du bei uns ganz unten einsteigen solltest. Ich meine, jemand wie du – und noch dazu in der Trollgrube?«
Stoffe blickte HP an, als erwarte er eine verdammt gute Antwort. Das Problem war nur, dass er keine auf Lager hatte.
»Tja, also … äh«, stammelte er, während er verzweifelt nach einer geeigneten Einleitung suchte. »Es war so …«
»Habt ihr das gehört? Ach du Schande, ein verfluchter Wahnsinn! Noch dazu in Schweden!«
Dejan stolperte von links heran und wedelte mit seinem iPhone in der Luft herum.
HP atmete aus. Gerettet vor dem Gong …
»Was faselst du da?«
»Die Bombe, nein, die Bomben! Sagt bloß, ihr habt davon noch nichts mitgekriegt?«
HP und Stoffe schüttelten synchron den Kopf.
»Irgendein Spinner hat sich vor nicht einmal einer halben Stunde auf der Drottninggatan in die Luft gesprengt. Die Medien drehen total am Rad.«
Er streckte ihnen sein Telefon hin, um zu zeigen, wovon er sprach.
AKTUELL!
SELBSTMORDATTENTÄTER
IN STOCKHOLMS INNENSTADT
*
Sie duschte lange. Schraubte die Temperatur nach und nach hoch und drehte sich langsam, um das angenehme Gefühl am ganzen Körper zu spüren. Kreis um Kreis, bis ihr Schädel brannte und sie es nicht mehr aushielt.
Danach rasierte sie sich die Beine und trimmte bei der Gelegenheit auch gleich ein paar weitere strategische Stellen.
Sie holte ihre beste Unterwäsche hervor, zog sich ein weißes Hemd und die Jeans an, die ganz hinten im Schrank hing, da sie eigentlich ein bisschen zu eng für ihren Geschmack war. Dann föhnte sie sich die Haare und schminkte sich mit ein paar Handgriffen vor dem Spiegel im Flur. Anschließend trat sie ein paar Schritte zurück, um das Ergebnis zu begutachten.
Sie erkannte sich selbst kaum wieder.
*
Philip brauchte sich nur zu erheben, und schon verstummte das Stimmengewirr in dem privaten Speisesaal sofort. Etwa hundert Gäste waren es, wenn
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