Hype: Thriller (German Edition)
HP richtig gezählt hatte, die allermeisten vermutlich Geschäftsfreunde.
Herr und Frau Argus schienen beide keine Zeit für echte Freundschaften gehabt zu haben.
Business ging vor.
»Wie ihr sicher bereits gehört habt, sind in der Innenstadt heute Nachmittag dramatische Dinge passiert«, begann Philip. »Offenbar sind die meisten Straßen noch abgesperrt und der öffentliche Verkehr steht vollkommen still, es kann also schwer werden, nach Hause zu kommen. Aber mein guter Freund Baris …«, er deutete mit der Hand auf den Besitzer der Bar, der an der einen Wand stand, »… hat versprochen, dass die Bar so lange geöffnet sein wird, wie wir möchten.«
Begeisterter Jubel wurde laut, und Philip ließ die Leute eine Weile gewähren, bevor er fortfuhr: »Aber was meine Mitarbeiter betrifft: Die Gruppenchefs kommen bitte morgen um zehn Uhr zu einem internen Meeting. Mir ist bewusst, dass morgen Sonntag ist und ihr euch Erholung verdient hättet, aber leider machen die Ereignisse des Abends eine rasche Absprache nötig.«
Er hob sein Glas.
»Aber nachdem das gesagt ist, wollen Monika und ich uns bei euch bedanken, dass ihr heute gekommen seid, um unserer geliebten Anna die letzte Ehre zu erweisen. Anna war, wie ihr alle wisst, ein sehr besonderer Mensch. ArgusEye war ihr Traum, ihr Lebenswerk, und ich bin sicher, dass sie nichts lieber gewollt hätte, als dass wir das Unternehmen weiter in die Richtung entwickeln, die sie vorgegeben hat. Auf Anna!«
»Auf Anna.«
*
Anstatt ein Taxi zu rufen, hatte sie ihre Jacke angezogen und war zur Würstchenbude hochgehumpelt. Die hatte auch spätnachts noch geöffnet und gab Polizisten und Taxifahrern Rabatt, was bedeutete, dass sich auf die eine oder andere Weise immer eine Mitfahrgelegenheit fand. Aber ausgerechnet an diesem Abend stand nur ein einziges Taxi vor dem Kiosk.
Der Fahrer hatte seinen Dienst eigentlich schon beendet, aber mit ein wenig weiblicher Überredungskunst schaffte es Rebecca doch, dass er sie fuhr. Gegen einen festen Preis bei ausgeschaltetem Taxameter, was sie normalerweise dazu veranlasst hätte, ihren Polizeiausweis zu zücken.
Der Mann berichtete ihr von dem Bombenanschlag. Ein Selbstmordattentat, das offenbar missglückt war.
Trotzdem. Ausgerechnet in Stockholm. Völlig verrückt!
Dem Fahrer zufolge war nahezu die gesamte Innenstadt abgesperrt, und die U-Bahn war außer Betrieb. In der ganzen Stadt wimmelte es von Blaulichtern und Polizisten, und sie waren gezwungen, einen ordentlichen Umweg zu fahren, damit Rebecca an ihr Ziel kam.
Zwei Bomben, und das bislang einzige Todesopfer war der Attentäter, aber bevor man ausschließen konnte, dass es weitere Tote gab, würde sicherlich jeder verfügbare Polizist im Einsatz sein.
Für einen kurzen Moment überlegte sie tatsächlich, den Taxifahrer zu bitten, sie zur Polizeistation zu bringen anstatt nach Östermalm. Aber sie war noch immer suspendiert, und egal, wie gern sie auch mitgeholfen hätte – man würde es mit aller Wahrscheinlichkeit nicht zulassen, dass sie einen Fuß in das Innere des Reviers setzte.
Die Bomben waren nicht ihr Problem, und an diesem Abend wollte sie ihr Bestes tun, um das Chaos zu vergessen, in das sich ihr Leben verwandelt hatte.
Die Kontrolle einem anderen überlassen.
*
Er kam gerade rechtzeitig von der Toilette zurück, um Monika Gregerson durch die Tür nach draußen verschwinden zu sehen, und stieß unwillkürlich einen Seufzer der Erleichterung aus. Er hatte gemerkt, wie sie ihn beim Essen mehrmals angesehen hatte, und irgendetwas in ihrem Blick bereitete ihm Unbehagen. Als bohre er sich geradewegs durch seinen teuren Mangeanzug und ließe sie wissen, wer er wirklich war.
Würde er weiterhin die Umstände von Annas Tod aufklären wollen, müsste er natürlich versuchen, mit ihr zu sprechen. Aber irgendwie schien der Barbesitzer einen Haufen Taxis bestellt zu haben, und noch bevor HP sich zur Tür durchkämpfen konnte, war sie schon weg.
Vielleicht besser so.
Wie schlau wäre es gewesen, Monika direkt vor Philips Nase auszufragen? Und wie hätte er das Gespräch bitteschön eröffnen sollen?
Wer hat Ihrer Meinung nach Ihre Schwester umgelegt? Oder: Hat Anna jemals über eine Person geredet, die sich der Spielleiter nennt?
So wohl eher nicht. Außerdem hatte er mehr oder weniger beschlossen, seine Ermittlungen für eine Weile auf Eis zu legen, zumindest, bis sich alles ein wenig beruhigt hatte. Und vielleicht sogar noch länger …
Er erblickte Rilke an
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