Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
Allem Anschein nach ließ sich die Feldtheorie, die seit einem Jahrhundert die Grundlagen der Physik bestimmte, unter keinen Umständen mit der Stringtheorie verknüpfen.
Ziemlich entmutigt, zerbrach ich mir bis spät in die Nacht den Kopf. Stundenlang war ich damit beschäftigt, alle denkbaren Alternativen des Problems systematisch durchzugehen. Aber die Schlußfolgerung, daß die Dualität preisgegeben werden müsse, schien unausweichlich. Da erinnerte ich mich an die Worte, die Sherlock Holmes in The Sign of Four an Watson richtet: »Wie oft habe ich es Ihnen schon gesagt: Wenn Sie das Unmögliche ausgeschlossen haben, muß das, was übrigbleibt, und mag es noch so unwahrscheinlich sein, die Wahrheit sein.« Von diesem Gedanken ermutigt, schloß ich alle unmöglichen Alternativen aus. Die einzige unwahrscheinliche Alternative, die übrigblieb, bestand darin, mich über die Eigenschaften des Veneziano-Suzuki-Modells hinwegzusetzen. Um drei Uhr nachts stieß ich endlich auf die Lösung: Bislang hatte man den offenkundigen Umstand übersehen, daß sich die Veneziano-Suzuki-Formel in zwei Teile zerlegen läßt. Dann entspricht jeder Teil einem der Feynmandiagramme, und jeder Teil verstößt gegen die Dualität, doch die Summe entspricht allen verlangten Eigenschaften einer Feldtheorie.
Rasch nahm ich mir ein paar Blatt Papier vor und ging die Rechnung durch. Die nächsten fünf Stunden verbrachte ich damit, die Rechnung von allen Seiten wieder und wieder zu überprüfen. An der Schlußfolgerung war nicht zu rütteln: Die Feldtheorie verstößt gegen die Dualität, wie alle erwartet hatten, was aber kein großes Unglück ist, weil die Endsumme wieder die Veneziano-Suzuki-Formel produziert.
Damit hatte ich den größten Teil des Problems gelöst. Nur ein Feynmandiagramm, das den Zusammenstoß von vier Strings darstellte, fehlte noch. Damals gab ich einen Einführungskurs in Elektrizität und Magnetismus für Studienanfänger an der City University in New York, und wir beschäftigten uns gerade mit Faradays Kraftlinien. Ich forderte die Studenten auf, die Kraftlinien zu zeichnen, die sich bei verschiedenen Ladungskonfigurationen ergaben, und damit die gleichen Schritte nachzuvollziehen, die Faraday im 19. Jahrhundert zu seinen bahnbrechenden Entdeckungen geführt hatten. Plötzlich dämmerte mir, daß die krakeligen Linien, die ich meine Studenten zeichnen ließ, exakt die gleiche topologische Struktur besaßen wie die Stringstöße. Durch Veränderung der Ladungen in einem physikalischen Anfängerkurs hatte ich also die Konfiguration gefunden, die den Zusammenstoß der vier Strings beschrieb. War es so einfach?
Ich stürzte nach Hause, um meine Vermutung zu überprüfen, und ich hatte recht. Mit graphischen Techniken, die schon Studienanfänger beherrschen, konnte ich zeigen, daß die Vier-String-Wechselwirkung in der Veneziano-Formel enthalten sein muß. Mit Methoden, die auf Faraday zurückgingen, vervollständigten Kikkawa und ich im Winter 1974 die Stringfeldtheorie, den ersten erfolgreichen Versuch, die Stringtheorie mit dem mathematischen System der Feldtheorie zu verbinden.
Doch auch wenn unsere Feldtheorie die gesamte Information verkörperte, die in der Stringtheorie enthalten ist, blieb sie verbesserungsbedürftig. Da wir die Feldtheorie von rückwärts entwickelt hatten, waren noch viele der Symmetrien unklar. So waren beispielsweise die Symmetrien der speziellen Relativitätstheorie zwar vorhanden, aber nicht sehr deutlich erkennbar. Um die von uns entdeckten Feldgleichungen in eine schlüssigere Form zu bringen, war noch viel Arbeit erforderlich. Doch als wir uns gerade anschickten, die Eigenschaften unserer Feldtheorie näher zu untersuchen, erlitt das Modell einen unerwarteten und empfindlichen Rückschlag.
In jenem Jahr entdeckte der Physiker Claude Lovelace von der Rutgers University, daß der Bosonenstring (der ganzzahlige Spins beschreibt) nur in 26 Dimensionen konsistent ist. Andere Physiker bestätigten dieses Ergebnis und wiesen nach, daß der Superstring (der sowohl ganzzahlige wie halbzahlige Spins beschreibt) nur in zehn Dimensionen schlüssig ist. Schon bald stellte man fest, daß die Theorie, wenn sie nicht in zehn oder sechsundzwanzig Dimensionen formuliert wird, alle ihre schönen mathematischen Eigenschaften verliert. Doch niemand glaubte, eine Theorie, die in zehn oder sechsundzwanzig Dimensionen definiert wird, könnte das geringste mit der
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