Hypnose
und verschloss dann mit dem von ihm eingeschleusten handelsüblichen Magnetknopf die Verriegelungen, sodass sich die Nachtschwester keinen Millimeter mehr rühren konnte. Die Abführtropfen und den Magneten hatte er bei seiner Einlieferung in der Unterhose eingeschleust, weil zwar seine Taschen nach gefährlichen Gegenständen wie Rasier klingen und Fingernagelscheren durchsucht wurden, er im Schritt jedoch nicht angefasst werden durfte.
»Engelchen, du gehst weiter in deiner schönen Welt spazieren, und du fühlst dich wohl dabei. Du kannst noch sechs Stunden schlafen. Du wirst es gar nicht hören, wenn ein Patient klingelt, und du hast auch gar kein Bedürfnis aufzustehen. Und wenn der Schichtwechsel kommt, wirst du dich beim Aufwachen an nichts erinnern.«
Brunner nahm ihr vom Hosenbund die Schlüssel am Karabinerhaken ab, schulterte seine Reisetasche und sah sich noch ein letztes Mal in dem Zimmer um, in dem er die letzten vier Wochen verbracht hatte. Die nachlässige Körperhygiene war der unangenehme Teil seiner Schauspielerei gewesen.
»Mach’s gut, mein Engelchen. Ich muss jetzt los. Mich werdet ihr nicht finden. Aber ich werde Inka finden.«
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Inkas Atem flatterte, und sie glaubte, das schnelle Klopfen ihrer Halsschlagader müsse für Doktor Brinkhus unübersehbar sein, als er sie um Punkt acht Uhr aus dem Wartezimmer in den Therapieraum bat.
Ein Wunder, dass sie mit ihren Panikattacken überhaupt hier angelangt war. Da ihre Quickly zu Hause stand, war sie von Andis Wohnung mit öffentlichen Verkehrsmitteln hergefahren. Einerseits hatte ihr diese Öffentlichkeit einen gewissen Schutz geboten, aber den noch war sie auf der Hut, um nicht zu sagen, vollkommen überängstlich. Sie hielt jede Person für gefährlich, die sie etwas länger angeschaut hatte, jeden, der etwas zu nah an ihr vorbeiging. Die Panik war übermächtig, und Inka war ihr komplett ausgeliefert. Ihr Darm war völlig verkrampft, ihr Magen rebellierte. Die Morddrohung war nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, sie ließ sich nicht verdrängen, so wie sie Brunners Zettel mit der Warnung weggeworfen hatte. Die schmerzhaften Spuren waren ab jetzt immer da.
Andi hatte heute schon gegen sechs Uhr morgens das Haus verlassen, und sie war nach einer weitgehend schlaflosen Nacht um sieben Uhr aufgestanden. Eine Schüssel Joghurt mit Müsli und Früchten stand fertig zubereitet in der Küche, und sie hatte sich über diese fürsorgliche Geste gefreut, auch wenn sie um diese Unzeit nur zwei Löffel hinuntergebracht und ihr der Sinn eher nach einem Liter Kaffee gestanden hatte. Zuerst hatte Inka doch noch kurz überlegt, den Termin bei Doktor Brinkhus verstreichen zu lassen, und eine Weile versucht, sich Garfield anzunähern und ihn zu streicheln, aber Andis Kater hatte es nicht zugelassen. Dann hatte sie sich entschieden, aktiv zu werden. Sie musste an die Information kommen, die Brinkhus ihr gestern am Telefon versprochen hatte.
Mehrmals war sie versucht gewesen, Rebecca um Beistand zu bitten und sie zur Therapiestunde zu begleiten. Noch gestern Abend hatte ihr die Freundin unmissverständlich ins Gewissen geredet, Andis Wohnung unter keinen Umständen zu verlassen. Inka hatte atemlos Rebeccas schonungslosem Bericht über ihr Zusammentreffen in der Spielhalle gelauscht, und war dadurch in ihrer Entscheidung noch einmal bestätigt worden, Peter nicht hinterherzulaufen. Seinen Anblick mit entrücktem und starrem Blick vor blinkenden Automaten wollte sie sich ersparen. Der Gedanke, dass ihr eigener Mann ein kompromissloser Spieler war, traf sie hart genug.
Dieses Thema ließ Inka jedoch Andi gegenüber aus, als er am späten Nachmittag vom Dienst gekommen war und Rebecca sich verabschiedet hatte. Ihm genügte die Information, dass Peter sich gemeldet hatte, er jedoch zu keiner Auseinandersetzung bereit war und den Schlüssel erst später abholen wollte.
Natürlich war Peter nicht in der Wohnung aufgetaucht, und dieses Fernbleiben machte Inka fertig. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie so lange nichts von seinem Treiben gemerkt hatte und sie noch immer nicht wusste, ob er die Botschaft auf ihrem Laptop geschrieben hatte oder gar für den grausamen Überfall auf sie mit verantwortlich war. Im Grunde ihres Herzens liebte sie Peter noch, zumindest jenen Mann, den sie mal zu kennen geglaubt hatte. Wenn aber seine Spielsucht hinter seinem merkwürdigen Verhalten steckte und er mit den Angriffen auf sie nichts zu tun hatte, dann würde sie
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