Hypnose
wunderte sie sich, wie viele Menschen um die Mittagszeit hier ihr Geld aufs Spiel setzten. Peter saß in einem abgedunkelten Bereich auf einem Barhocker vor einem blinkenden und leuchtenden Gerät, das in regelmäßigen Abständen allerlei Melodien spielte. Zehn Minuten lang beobachtete sie den breitschultrigen Mann, der schräg mit dem Rücken zu ihr saß und wie gebannt auf die sich stets neu mischenden Bilderreihen starrte. Er war wie verwandelt. Nichts erinnerte mehr an Inkas liebevollen und aufmerksamen Ehemann, wie Rebecca ihn einst kennen gelernt und noch vor Kurzem erlebt hatte. Es schien, als hätte alles um ihn herum an Bedeutung verloren, als sei nur das elektronische Gerät vor ihm von Interesse, als seien alle Hoffnungen und Sehnsüchte der Welt darin konzentriert.
Wie viel Zeit, wie viel Geld er wohl schon in eine solche Kiste investiert hatte? Es war typisch für Spieler, ihre Sucht vor Familienangehörigen geheim zu halten und ein enor mes Arbeitspensum vorzuschieben. Kein Wunder, dass Inka ihrem Mann nicht früher auf die Schliche gekom men war.
Ein paar Meter weiter schepperten die Münzen im Ausgabefach, und ein junger Mann jubelte laut auf. Peter sah verärgert zu ihm hinüber und murmelte kopfschüttelnd vor sich hin. Er kramte in seiner Hosentasche, steckte rechts und links in die freien Automaten neben ihm ein paar Münzen und ging dann zur Theke.
Rebecca beobachtete, wie er einen Fünfzigeuroschein wechseln und sich einen kostenlosen Kaffee einschenken ließ. Jetzt hatte sie genug gesehen. Sobald Peter wieder bei seinem Automaten war, würde sie ihn zur Rede stellen.
»Peter?«
Er fuhr herum, sichtlich erstaunt, dass ihn jemand mit Namen ansprach.
Nach dem ersten Schrecken musterte er sie in ihrem dünnen Sommerkleidchen. »Hey, Rebecca, seit wann zockst du?«
Rebecca merkte auf einmal, dass der Salon klimatisiert war, und ein Schauder zog ihr über den Rücken. »Du wolltest doch zu Inka fahren. Sie wartet auf dich.«
Peter ließ genervt die Luft entweichen und wandte sich wieder dem Spielautomaten zu. »Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin!«, sagte er. »Hast du den Schlüssel mitgebracht?«
»Was ist nur in dich gefahren? Wir haben uns Sorgen gemacht. Wir dachten schon, dir wäre was passiert! Aber Inka hatte eine Vermutung, dass ich dich in diesem Viertel finden könnte. Nachdem kein Geld mehr auf dem Konto ist …«
»Ach, das hat sie dir also auch erzählt. Na, meine Frau kann ja nichts für sich behalten! Und wenn sie schon eine Ahnung hatte, wo ich bin, warum kommt sie dann nicht selbst her? Sie ist es doch, die mit mir reden will.«
»Weil sie Angst hat, überhaupt raus auf die Straße zu gehen!«
»Dann muss sie leider warten, bis ich hier fertig bin, und das kann dauern …« Peter warf wieder neue Münzen in den Automaten. »Man muss so eine Kiste nur oft und lange genug beobachten. Es weiß ja jeder, dass die Dinger programmiert sind, aber es gibt kein System, das ich nicht durchschauen könnte. Die Kleine hier ist heute reif. Sie ziert sich noch ein bisschen, aber ich habe Geduld – und dann mache ich die Kiste leer! Inka muss sich also auch noch ein wenig gedulden, bis …«
»Das ist nicht dein Ernst, Peter! Wie kannst du dir hier die Zeit vertreiben, wenn deine Frau Todesängste aussteht?«
»Was denn, ich habe nichts verbrochen! Ich arbeite wie verrückt, dazu Spät- und Wochenendschichten, und zwischen Inka und mir klappt es nicht mehr. Ich habe mich wirklich viel um sie gekümmert im letzten halben Jahr, Rebecca! Aber ganz ehrlich, ich fühle mich wie ihr Mülleimer! Wir haben nicht mal mehr Sex, aber das hat sie dir bestimmt auch schon in aller Ausführlichkeit erzählt.«
»Liebst du Inka noch?«
Es kamen drei gleiche Bilder zum Stehen.
»Wow, Freispiele! Schau dir das mal an, Rebecca!«
»Peter, bitte …«
Er drehte sich zu ihr. »Du weißt doch selber, dass Inka krank ist. Und von mir lässt sie sich nicht helfen. Das bringt alles nichts mehr!«
»Komm jetzt bitte mit, Peter. Ihr müsst miteinander reden, sonst geht eure Ehe wirklich noch kaputt …«
»Yes!«, brüllte Peter unvermittelt und zog damit die Aufmerksamkeit aller Spieler auf sich. Er sprang von seinem Hocker auf und drückte Rebecca enthusiastisch an sich. »Siebenhundertfünfzig Euro, das ist meine Glückssträhne, ich spüre es! Und gleich noch einmal Freispiele hinterher! Jetzt läuft die Sache! Mann, ist das ein irres Gefühl …«
»Ja, das ist richtig viel Geld«, sagte
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