Hypnose
fast wohler als momentan in meiner eigenen Wohnung, die mir noch immer recht fremd ist.«
Andi wurde tatsächlich ein bisschen rot. »Setz dich doch«, sagte er schnell, um vom Thema abzulenken, und nahm eilig ein achtlos liegen gelassenes schwarzes T-Shirt vom Sofa weg. Dass es jetzt wie ein rotbrauner Pelz aussah, ließ darauf schließen, dass es sich der Kater den Tag über darauf bequem gemacht hatte. Und der stolzierte jetzt, soweit ihm diese elegante Gangart bei seinem Gewicht noch möglich war, mit einem vorwurfsvollen Maunzen in die Küche zu seinem Fressnapf.
»Garfield steckt, glaub ich, im falschen Körper«, bemerkte Andi und ging seinem Kater in die Küche nach. Inka wollte sich nicht setzen, da sie ja nach der Raubtierfütterung gleich wieder gehen wollten, und lehnte sich an den Türrahmen. In dieser renovierten Küche hätte sie sich auch wohlgefühlt, aber Peter war mehr für klare Linien und nicht für dieses toskanische Flair mit Natursteinfliesen, verspielten Elementen an den weiß gestrichenen Möbeln und allerlei südländischer Deko.
»Vielleicht hat es Garfield auch nicht gutgetan, in einem Hunderudel aufzuwachsen, bis der Besitzer ihn ins Tierheim gab«, erzählte Andi weiter. »Er benimmt sich wie ein Hund, frisst genauso viel, apportiert mir seine Spielsachen und hechelt bei der Hitze, was lustig aussieht, aber nix bringt. So, der Herr, bitte schön, das Fressen ist serviert.« Andi stellte seinem Kater den gefüllten Fressnapf in Nachbildung eines Hundeknochens hin.
»Hast du auch so einen Bärenhunger?«, fragte Andi, während er sich die Hände wusch.
Inka fühlte sich peinlich berührt, weil es bei ihnen zu Hause nichts zu essen im Kühlschrank gab. Daran hatte sie in all der Aufregung nicht gedacht. Noch vor dem Streit wollte Peter ja was beim Chinesen holen.
»Sobald wir bei mir sind, kann ich uns eine Pizza bestellen«, bot sie an.
»So lange überleb ich nicht«, feixte Andi. »Ich koch uns schnell was. Wie wär’s mit Pasta in Walnusssahnesauce mit Salbei, Thymian und Muskat? Ist einfach und lecker.«
Inka staunte nicht schlecht, als Andi kurzerhand Töpfe auf den Herd stellte, Nudelwasser aufsetzte und mit einer Schere bewaffnet auf den Balkon hinausging, um Kräuter zu schneiden.
Inka stellte sich zu ihm und war von dem nächtlichen Ausblick überwältigt. Funkelnde Lichterinseln bis zum Rand der Schwäbischen Alb, deren schroffe Erhebung man als Silhouette am Horizont ausmachen konnte. Unzählige Blinklichter vom Flughafen, der kaum einen Steinwurf entfernt zu sein schien.
»Schön, nicht wahr?«, fragte Andi, der ihrem Blick gefolgt war und Salbeiblätter in eine Mörserschüssel legte. »Wir sind fast siebzig Meter hoch. Mir gefällt’s. Gibt mir bei Feierabend das Gefühl, wirklich aus dem Mördersumpf da unten rauszukommen.«
»Das kann ich nachvollziehen. Trotzdem wäre mir das zu hoch und zu anonym hier. So viele Menschen auf einem Haufen, und trotzdem kennt man sich nicht.«
»Na ja, so ist das ja auch nicht. Es gibt viele Veranstaltungen und sogar kleine Vereine, um sich kennen zu lernen, wenn man denn will: einen Tennisclub, einen Chor und ein Orchester … Natürlich leben hier aber auch viele Menschen einsam und zurückgezogen. Wie überall. Nur fallen sie hier noch weniger auf.« Andi schnitt noch einen Thymianzweig ab. »Das einzige Grünzeug, das bei mir wächst, sind Kräuter. Wenn ich mal länger nicht da bin, kümmert sich meine Nachbarin um meine Pflanzen. Die gute ältere Dame heißt auch noch Blume mit Nachnamen«, sagte er schmunzelnd und ging an ihr vorbei zurück in die Wohnung. Dann fragte er sie über die Schulter: »Immer noch kein Anruf?«
Inka schaute auf ihr Handy. »Nein, nichts.«
Sie kippte die Balkontür und lehnte sich dann wieder an den Durchgang zur Küche.
»Mal sehen, ob das Wasser schon kocht …«, sagte Andi und hob den Topfdeckel an. »Meine Güte, das war ein Tag heut! Ich bin wirklich gespannt, wie mein Chef über den Personenschutz für dich denkt. Bis dahin regeln wir das auf dem Kleinen Dienstweg, okay?« Er zwinkerte Inka zu. »Und wir warten einfach ab, bis Peter sich meldet … Setz dich doch rüber und ruh dich ein bisschen aus«, bot er ihr noch einmal an.
Inka schüttelte den Kopf und beobachtete interessiert, wie Andi Walnüsse hackte, vier sorgsam ausgewählte Hälften davon zum Garnieren beiseitelegte und nebenbei die bunten Spiralnudeln ins kochende Wasser schüttete. In den Soßentopf gab er zu den
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