Iacobus
unterwegs war, hatte ich es mir angewöhnt, Schwert, Dolch und Lanze zu vergessen, denn schon des öfteren hatte ich feststellen können, daß sie zu nichts taugten, wenn man etwas in Erfahrung bringen wollte. Aus diesem Grund hatte ich bis zur Perfektion die Kunst des Schmeichelns verfeinert, die freundschaftliche Überzeugungsgabe, die Anwendung verbaler Tricks und die Manipulation des Wesens und des Temperaments meines Gegenübers.
»Woher kennt Ihr mich? Ich erinnere mich nicht, Euch schon einmal hier gesehen zu haben.«
»Ich war auch noch nie hier, doch Euer Essen wird im ganzen Languedoc gerühmt.«
»Tatsächlich?« fragte er überrascht. »Und wer hat Euch von mir erzählt?«
»Oh … na ja … viele Leute!« log ich; er brachte mich in große Verlegenheit.
»Nennt mir einen!«
»Also, laßt mich nachdenken … Ah, ja sicher! Der erste war mein Freund Langlois, der irgendwann einmal auf dem Weg nach Nevers hier vorbeikam und dann hinterher zu mir sagte: ›Solltest du einmal durch Avignon reisen, so mußt du unbedingt in François' Schenke in Roquemaure einkehren.‹ Auch Graf Fulgence Deslisle kommt mir jetzt in den Sinn, an den Ihr Euch zweifellos erinnern werdet. Er hatte vor einiger Zeit das Vergnügen, bei Euch zu tafeln, und lobte danach Eure Kochkunst während eines Festes in Toulouse. Und schließlich mein Cousin zweiten Grades, Kardinal Henri de Saint-Valéry, der Euch ganz besonders empfahl.«
»Kardinal Henri de Saint-Valéry ist Euer Cousin?« hakte er nach und sah mich dabei verstohlen und voller Argwohn an. Aha, sagte ich mir, wir haben hier also jemanden, der ein Geheimnis wahrt. Die einzelnen Teile begannen sich allmählich so zusammenzufügen, wie ich es vermutet hatte.
»Oh, vielleicht habe ich übertrieben!« berichtigte ich mich mit einem Lachen. »Unsere beiden Mütter waren Cousinen zweiten Grades. Wie Ihr wahrscheinlich an meinem Akzent bemerkt habt, bin ich nicht von hier; ich komme von der anderen Seite der Pyrenäen, aus Valencia. Doch meine Mutter stammte aus der Provence, aus Marseille.« Unter dem Tisch stieß ich Jonas leicht an, damit er seine Augen nicht noch weiter aufriß. »Meines Wissens besuchte Euch mein Cousin des öfteren, als er noch Kämmerer des Papstes Clemens war. Er selbst berichtete es mir bei mehr als einer Gelegenheit, bevor er starb.«
Ich setzte zwar alles auf eine Karte, aber es war eine interessante Partie.
»Er ist tot?«
»O ja, er starb vor zwei Monaten in Rom.«
»Teufel noch mal!« entschlüpfte es ihm überrascht; als er seinen Fluch aber bemerkte, verbesserte er sich schnell: »Herrje, wie leid mir das tut, Sire!«
»Nicht so schlimm. Seid unbesorgt.«
»Jetzt gleich werde ich Euch das Essen servieren«, sagte er und verschwand eilfertig in der Küche.
Jonas sah mich erschreckt an.
»Bruder Galcerán, Ihr habt einen Haufen Lügen aufgetischt!« stammelte er.
»Mein lieber Jonas, ich habe dir doch schon mal gesagt, daß du mich hier nicht Bruder nennen sollst. Du mußt lernen, mich mit Sire, Micer, Ritter Galcerán oder was dir sonst noch so einfällt anzusprechen, alles, nur nicht mit Bruder.«
»Ihr habt gelogen!« wiederholte er beharrlich.
»Ja, gut, na und? Ich werde dafür in der Hölle schmoren, wenn dich das tröstet.«
»Ich glaube, ich werde schon sehr bald in mein Kloster zurückkehren.«
Einen Augenblick lang war ich wie gelähmt. In der irrigen Annahme, eine geheime Macht auf den Jungen auszuüben, hatte ich nicht damit gerechnet, daß er an seine Freiheit appellieren könnte, nach Ponç de Riba zurückzureiten; ich hatte vielmehr angenommen, daß er sich an meiner Seite zum ersten Mal in seinem Leben wirklich frei fühlen würde, wenn er so weit weg von den Mönchen durch die Welt reiste. Allerdings hatte er natürlich von meinen Zukunftsplänen für ihn keine Ahnung und wußte auch nicht, daß seine eigentliche Erziehung gerade erst begann. Ich hatte mich jedoch anscheinend vollkommen in meiner Vorgehensweise getäuscht. Ich sollte mich fragen, was mir an Jonas' Stelle gefallen und wie ich in seinem Alter handeln würde.
»In Ordnung, mein Junge«, sagte ich nach einigen Minuten des Schweigens. »Es gibt da etwas, das du wissen solltest. Dieses Wissen erfordert allerdings strengste Verschwiegenheit von dir. Wenn du zu schwören bereit bist, das Geheimnis bis in alle Ewigkeit für dich zu behalten, werde ich es dir verraten. Falls nicht, so kannst du sofort in dein Kloster zurückkehren.«
Ich nehme an, daß er
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