Iacobus
Cousin, wenn du François, den Wirt von Roquemaure, nicht findest und ihm von mir ausrichtest, er solle dir die Wahrheit erzählen. Die Jungfrau sagte mir voraus, daß sowohl ich als auch François in der Hölle schmoren werden, wenn wir nicht vor unserem Tod den Schwur brechen, den wir einst leisteten … Sag ihm das, Cousin, sag ihm, er solle seine Seele retten.‹ Und dann starb er … Einige Tage später fand ich unter seinen Dokumenten einen an mich gerichteten Brief. Da mein Schiff auf sich warten ließ und sein Leben sich dem Ende näherte, hatte Henri mir in einem versiegelten Umschlag ein paar Zeilen hinterlassen, in denen er mich bat, Euch aufzusuchen, ›den Mann, in dessen Haus der Heilige Vater Clemens starb‹. Könnt Ihr uns das erklären …?«
»Alles ging so schnell!« wimmerte François verängstigt. »Weder Euer Cousin noch ich trugen daran die Schuld.«
»Kann man um Gottes willen erfahren, wovon zum Teufel Ihr redet?« fragte ich scheinbar entsetzt.
»Was ich zu sagen habe, sollte Euer Diener besser nicht mit anhören! Wer ist er, um in Geheimnisse eingeweiht zu werden, die nur ein paar … das heißt nur drei Menschen auf der ganzen Welt kennen?«
»Um die Wahrheit zu sagen, François, dieser junge Mann hier ist nicht nur mein Diener und Schildknappe, sondern auch mein Sohn, mein einziger; leider wurde er unehelich geboren, ein Bastard … deshalb reist er mit mir als mein Diener. Ihr seht also, daß Ihr ruhig reden könnt. Er wird schweigen.«
»Seid Ihr Euch dessen gewiß?«
»Schwöre, Jonas!« befahl ich meinem überraschten Adlatus, der sich noch nie zuvor in einer solch wahnwitzigen Lage befunden hatte.
»Ich, Jonas …«, wisperte er benommen, »… schwöre, daß ich nie etwas davon preisgeben werde.«
»So fangt an, François!«
Der Wirt trocknete sich die Tränen, putzte sich die Nase mit den Zipfeln seiner schmierigen Schürze und begann, nun etwas gefaßter, zu berichten.
»Wenn die Heilige Jungfrau verlangt, daß ich meinen Schwur breche, so sei es, so werde ich zum ewigen Heil meiner Seele alles gestehen.« Und er bekreuzigte sich dreimal, um den Teufel zu bannen. »Unsere Liebe Frau hat eigentlich recht, denn Ihr müßt wissen, edler Ritter, daß Euer Cousin und ich den Eid einzig aus Angst ablegten, man könnte uns des Todes des Heiligen Vaters bezichtigen.«
»Warum sollte man das tun? Habt Ihr ihn etwa umgebracht?«
»Nein!!!« schluchzte er verzweifelt. »Wir wollten ihn doch nur retten!«
»Mein lieber François, Ihr fangt wohl besser ganz von vorne an.«
»Ja, ja … gewiß … Seht, Sire, an jenem Tag hielt das päpstliche Gefolge vor meiner Schenke, und aus der größten Kutsche halfen etliche Diener dem Heiligen Vater heraus, den ich an seinem roten Gewand und der Papsttiara erkannte. Er war ein Mann um die Fünfzig und trug einen dichten Bart, und er schien sich nicht gerade bester Gesundheit zu erfreuen. Einer seiner Soldaten befahl mir laut schreiend, ich solle sofort alle meine Gäste hinauswerfen, und Euer Cousin, der danach die Schenke betrat, bat mich, für Seine Heiligkeit ein Bett zu richten, damit er sich vor seiner Weiterreise etwas ausruhen könne. Mein Weib und meine Kinder gaben sich alle Mühe, unsere beste Kammer herzurichten, die letzte im oberen Stockwerk, und dort hinauf brachte man den Papst, der totenblaß war und stark schwitzte.«
»Sagt«, unterbrach ich ihn, »habt Ihr auf die Farbe seiner Lippen geachtet? Waren sie gräulich oder blau?«
»Wenn ich jetzt so darüber nachdenke … Ich erinnere mich, daß ich durchaus darauf geachtet habe, weil mir ihre hochrote Farbe auffiel … als ob sie geschminkt gewesen wären.«
»Aha! … Fahrt bitte fort.«
»Die Stunden verstrichen, und der Zustand des Kranken besserte sich nicht. An den Tischen dort hinten tranken seine Soldaten schweigend, als wären sie ganz eingeschüchtert, und dort in der Ecke, am großen Tisch, unterhielt sich leise eine Gruppe Kardinäle der Kammer und der Kanzlei. Einige von ihnen waren alte Bekannte, jene, die über die Hintertreppe hier einkehren, damit niemand sie sieht … Kurz und gut, ich kochte für alle, und danach trug ich auch das Essen für den Papst und Euren Vetter hinauf, der ihn gemeinsam mit einem jungen Priester pflegte. Von Kissen gestützt, saß Clemens aufrecht im Bett und schnaufte mühsam, Ihr wißt schon, ganz schnell und geräuschvoll … als ob er ersticken würde; er schien tatsächlich keine Luft mehr zu
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