Iacobus
Person, die Guillaume umbrachte, war dieselbe, die mir die Asche gab. Gott möge mir verzeihen, was ich soeben gesagt habe!«
»Mathilde d'Artois?«
»Schluß jetzt«, schrie sie, »unser Gespräch ist beendet! Kein weiteres Wort kommt mehr über meine Lippen. Ihr habt, was Ihr wolltet. Ich erwarte nun, daß Ihr den heiligen Schwur haltet, den Ihr bei Eurem Leben vor Gott und der Heiligen Jungfrau geleistet habt.«
Beatrice d'Hirson irrte sich; ich hatte noch nicht alles, was ich wollte. Trotz des zurückgelegten langen Wegs verfügte ich noch nicht über die nötigen Beweise bezüglich der Todesfälle, die Seine Heiligkeit mir zu untersuchen aufgetragen hatte. Es bestand keinerlei Aussicht, den arabischen Ärzten von Avignon und den freien Bauern von Rouen auf die Spur zu kommen, jene Jüdin hingegen gab es, sie lebte irgendwo im jüdischen Viertel und hatte gewiß die Mörder von Nogaret kennengelernt.
»Ich werde ihn nicht brechen, Madame, habt keine Angst. Doch brauche ich noch etwas, nur eine Kleinigkeit, um dieses Rätsel zu lösen und Euch für immer von jeglicher Anklage zu befreien. Sagt mir, wie die Zauberin heißt und wo ich sie finden kann.«
»Unter einer Bedingung«, entgegnete Beatrice. »Nur, wenn Ihr ihr nicht sagt, daß ich Euch geschickt habe; solltet Ihr es dennoch tun, so wird meine Herrin Mathilde morgen früh darüber unterrichtet sein; Ihr würdet damit eine Reihe von Ereignissen auslösen, durch die Euer eigenes Leben Gefahr laufen könnte. Vergeßt nie Mathilde d'Artois' Macht! Für sie gibt es nur ein Ziel im Leben: ihre zukünftigen Enkel als Könige von Frankreich gekrönt zu sehen. Und dafür wäre sie … dafür war und ist sie zu allem fähig.«
»Seid diesbezüglich unbesorgt, Madame Beatrice. Ich weiß, daß Ihr mich nicht genug kennt, um mir zu vertrauen, und trotzdem habt Ihr es getan. Ich bin mir bewußt, daß Ihr nur auf meinen Schwur zählen könnt, um von Stund an unbekümmert zu leben. Nun, so wißt denn auch, daß ich bei der Zauberin vollkommenes Stillschweigen über Euch bewahren werde, und daß ich nicht wünsche, daß Ihr auch nur eine einzige Stunde ruhigen Schlafes verliert aus Angst vor meinen Worten ihr gegenüber. Niemals werde ich etwas verraten, auch mein junger Begleiter nicht.«
»Danke, Sire Galcerán. Ich hoffe, Ihr haltet Euer Versprechen, mehr verlange ich nicht.«
Die Gesellschaftsdame der Königinmutter klopfte mit der Hand gegen das Kutschendach, die jetzt mitten in der Nacht anhielt.
»Den Namen, Madame Beatrice, den Namen der Zauberin«, drängte ich sie, als ich merkte, daß Jonas und ich aussteigen sollten.
»Ach ja … Sara, sie heißt Sara. Sie lebt im jüdischen Viertel, das heißt in dem, was nach der Vertreibung der Juden noch davon übriggeblieben ist, in der Straße der Silberschmiede. Fragt dort nach ihr. Alle kennen sie.«
Augenblicke später rollte die Kutsche davon und ließ uns mitten auf dem Quai des Célestins zurück. Bis zum Komplet waren es noch fast anderthalb Stunden, und es herrschte eine beißende Kälte.
»Kehren wir in die Herberge zurück, Sire«, bat Jonas zähneklappernd. »Mir ist kalt, ich habe Hunger und ich bin müde.«
»Nun, es tut mir leid, aber noch mußt du ein wenig warten, bis du dich am Feuer wärmen, essen und dich auf deinem Strohsack ausstrecken kannst«, antwortete ich ihm in der gleichen Reihenfolge auf seine Bedürfnisse. »Als erstes gehen wir ins jüdische Viertel. Ich fürchte, die Nacht wird sehr lang werden.«
Er blickte mich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Ins jüdische Viertel?«
Zwischen den sauberen, engen Gassen des jüdischen Viertels von Paris, wo es nach Zimt, Oregano und Nelken roch, und den Judenvierteln Kastiliens, die ich in meiner Jugend kennengelernt hatte, oder selbst den aragonesischen und mallorquinischen calls meiner Kindheit sah ich keinen Unterschied. Im bläulichen Licht des Mondes schlenderten wir dahin, vollkommen verloren zwischen Reihen aneinandergeschmiegter Häuschen, von denen die meisten leer standen, und vertrauten darauf, daß früher oder später irgend jemand aus einer Tür heraustreten oder sich aus einem Fenster lehnen würde, den wir nach dem Haus von Sara der Zauberin fragen konnten. Die Juden waren zwar 1306 aus allen Reichen Frankreichs vertrieben worden, einige waren jedoch zurückgeblieben und hatten sich schließlich den veränderten Lebensbedingungen angepaßt.
Gerade als wir die baufällige Synagoge zu unserer Rechten ließen und unsere
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