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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Ihr habt am Wegesrand geschlafen.«
    »Möglich«, gab ich unwirsch zu und schlug ein paarmal auf den Tisch, um die Wirtin herbeizurufen.
    »Habt Ihr schon viel gesehen, mein junger García?«
    »O ja, Großvater! Ich habe viel gesehen und viel gelernt.«
    »Erzählt, erzählt, ich habe große Lust, Euch zuzuhören!«
    Das waren die Zauberworte, welche die Schleusen für Jonas' Wortschwall öffneten, der wie immer kurz vor dem Platzen war. Ich erinnere mich, daß ich kurz befürchtete, er würde mehr als nötig erzählen, doch zum Glück verlor der Junge trotz seiner Unreife nicht den Verstand. Er begann dem Alten ausführlich seine eigenen Gedanken zu den Sagen um den Heiligen Gral sowie die erschöpfenden Einzelheiten seiner zukünftigen Laufbahn als Gralsritter zu erzählen. In der Zwischenzeit brachte uns die Wirtin die Getränke (einen hervorragenden Landwein für mich und für den Jungen Gerstensaft), und ich versank in meine Gedanken, während ich das Gedränge um uns herum in Augenschein nahm.
    Schon seit geraumer Zeit sang eine Gruppe französischer Pilger lauthals einige fröhliche Romanzen in provenzalischer Sprache. Klatschend und pfeifend begleiteten sie die Melodie, und mit den Krügen schlugen sie auf den Tischen den Takt dazu. Da das Stimmengewirr in der Schenke so groß war, hatte ich ihnen anfangs keine Beachtung geschenkt. Aber irgend etwas, keine Ahnung was, ließ mich auf einmal die Ohren spitzen und horchen, woraufhin mir unversehens das Blut in den Adern stockte: Der Text handelte von einer französischen Jüdin, die auf dem Weg nach Burgos war und der ihre Reisegefährten vergeblich den Hof zu machen versuchten, weil sie anscheinend danach trachteten, jede einzelne der unendlich vielen Sommersprossen zu zählen, die auf ihrem ganzen Körper verteilt waren. Sie mußten sie allerdings in Frieden lassen, denn da sie Pilger waren, konnten sie nicht gegen die Heilige Mutter Gottes sündigen. Schließlich kam jedoch heraus, daß die Jüdin eine Zauberin war und sie alle bedroht hatte, daß ihnen die Zähne ausfallen und sie kahlköpfig würden, wenn sie nicht von ihren Schmeicheleien abließen.
    Ich packte Jonas am Arm und zog ihn zu mir herüber.
    »Hör zu!« befahl ich ihm schonungslos.
    Zwischen Gebrüll und Gelächter begannen die Franzosen erneut das Liedchen zu trällern, und da die Verse leicht zu merken waren, schlossen sich ihnen weitere an. Jonas lauschte und sah mich dann an.
    »Sara!« rief er aufgeregt aus.
    »Ganz sicher.«
    »Wer ist Sara?« fragte Niemand voll Neugier.
    »Eine Bekannte von uns, die wir vor nicht allzu langer Zeit noch in Paris gesehen haben.«
    »Nun, ich glaube, jetzt ist sie nicht mehr dort, wenn es stimmt, was das Lied besingt«, entgegnete der Alte.
    Der Junge und ich beachteten ihn nicht weiter, folgten einzig und allein aufmerksam den Versen.
    »Ich werde mal nachfragen«, meinte Jonas und stand auf.
    »Laß das besser mich erledigen«, hielt ich ihn zurück und bedeutete ihm, sich wieder zu setzen. »Über dich würden sie sich nur lustig machen.«
    Ich drängte mich durch die Menge bis zu jener Pilgergruppe durch und beugte mich dann zum schmutzigen Ohr des Franzosen hinunter, der den Ton anzugeben schien. Der grobschlächtige Mann hörte sich meine Bitte an, betrachtete mich eingehend – er schien nachzudenken –, und dann brach er in Gelächter aus. Nachdem er seinen Kameraden mit der Hand ein Zeichen gemacht hatte, erhob er sich und zog mich beiseite.
    »So ist es, Sire«, bestätigte er mir mit einem Lächeln, »die Jüdin des Liedes heißt Sara. Erst gestern trennte sie sich von uns und schloß sich einer Gruppe Juden an, die nach León unterwegs war.«
    »Und wißt Ihr, wohin sie wollte?«
    »Davon erzählt doch schon unsere Romanze, Micer! Nach Burgos. Scheinbar wohnt dort ein Mann, der auf sie wartet. Sie hatte es sehr eilig, dorthin zu gelangen, weshalb sie uns verließ. Die Juden, mit denen sie weiterzog, sind schneller als wir. Und das, obwohl wir den Pilgerweg mit den besten Karren von ganz Frankreich bereisen! Wir haben nur zwei Wochen benötigt, um die Strecke von Paris hierher zu bewältigen.«
    »Wie weit, denkt Ihr, kann sie schon gekommen sein?«
    »Ich weiß nicht …« Nachdenklich zupfte er an seiner Unterlippe. »Sie wird vielleicht zwei oder drei Tagesritte zurückgelegt haben. Mehr glaube ich nicht.«
    Ich dankte ihm und kehrte zu Jonas und Niemand zurück, die mich schon ungeduldig erwarteten.
    »War es Sara?«
    Erwartungsvoll

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