Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
damit eher selbst gequält, als Spaß zu haben. Dann ließ er es bleiben. Er war wohl einfach nicht der Typ dafür, das musste er akzeptieren. Eines Tages, da war er sicher, würde er auf jemanden treffen, den er lieben konnte und der über Beziehung und Liebe ähnlich dachte wie er. Bis dahin hielt er es für besser, ganz die Finger von Männern zu lassen, wofür er oft belächelt wurde. Er hatte keinen Bock darauf, sich von einem weiteren Arschloch das Herz brechen zu lassen – lieber blieb er überzeugter Single, damit ging es ihm wenigstens gut.
Dass ihn diese E-Mail so arg fertig machte bereitete ihm Sorgen. Er wollte darauf antworten – aber nicht sofort. Lieber ein paar Mal darüber schlafen.
… Könner …
„Mmmh, hey Mo, wegen diesem Typen … mmmh … ich hab da was für dich“, nuschelte Stefan ein paar Tage später bei einem gemeinsamen Frühstück. Er stopfte kalte Pizza in sich rein bis sich die Backen blähten und hatte dunkle Augenringe, da ihn wieder einmal eine groß angekündigte Online-Schlacht mit seinem Clan fast dreißig Stunden am Stück wach gehalten hatte. Beim Sprechen pustete er Maiskörner auf den Tisch und an seiner Backe klebte ein Käsestück.
„Welcher
Typ
? Wovon sprichst du?“, fragte Mo, hob seine Müslischale vor die Brust und rückte etwas von dem rücksichtslosen Mitbewohner ab, um zu verhindern, dass Speicheltröpfchen mit Pizzageschmack in seinem Frühstück landeten.
„Na dieser aufgebrachte E-Mail-Typ. Du weiß schon, der dich erschaffen hat.“
„Er hat mich erscha…
Moment
mal, woher weißt du von der E-Mail?“
„Ich musste etwas im Internet recherchieren und konnte bei mir gerade nicht weil …“ Stefan begann mit ausschweifenden Erklärungen darüber, warum man bei einem laufenden Online-Spiel nicht
einfach mal eben
aussteigen konnte. Mo interessierten die Gründe nicht, er musste erst einmal verdauen, dass der dreiste Mitbewohner einfach so an seinen Laptop ging. Er hörte nur mit halbem Ohr zu, dann unterbrach er Stefans Rechtfertigungslawine.
„Woher weißt du überhaupt mein Passwort?“, ging er ihn an.
„Ach, das ist kein Problem – ich hab da einen Trick“, behauptete Stefan und grinste verwegen.
„Trick?“
„Geheim. Du weißt nichts davon!“, weihte der Fettsack ihn mit verschwörerischer Stimme ein.
„Doch,
jetzt
weiß ich davon. Du hast in meinen
privaten
E-Mails herumgeschnüffelt“, beschwerte sich Mo. Respektierte denn überhaupt keiner mehr seine Privatsphäre?
„Ich hab nicht … okay, ich hab
doch
, aber wenn du erst einmal siehst, was ich dir zu zeigen habe, dann wird dir das egal sein“, behauptete Stefan siegessicher.
Einige Minuten später bestand Stefan darauf, dass sich Mo besser mal auf den abgewetzten Drehstuhl setzte, und tippte für ihn auf der verklebten Tastatur herum. Ein Bildbetrachtungsprogramm sprang auf und zeigte in der Folge eine Diashow mit Bildern beeindruckender Aliens, Dämonen, Helden, aber auch alternative Cover für bekannte CDs, Filme, Spiele und vieles mehr. Ein ganz und gar atemberaubendes Portfolio aus 3D- und 2D-Arbeiten. Mitten unter ihnen gab es auch ein paar Bilder von Mo – beziehungsweise seinem virtuellen Doppelgänger Ian Yery. Mo konnte zwar nicht viel mit Computerspielen anfangen, aber das, was er hier bestaunen durfte, war Kunst – da war ein echter Könner am Werk gewesen. Und er hatte einen eigenen, einprägsamen Stil, der Mo sehr gefiel. Er kam nicht umhin zuzugeben, dass er begeistert war.
„Geiler Scheiß, was?“, gab Stefan ehrfürchtig von sich. „Also der Typ ist ein Meister. Du solltest nicht beleidigt sein, sondern dich geehrt fühlen.“
„Nur weil er gut ist in dem was er tut, hat er noch lange nicht das Recht mein Gesicht zu benutzen“, brummte Mo.
„Wait! Der hat nicht nur dein Gesicht benutzt“, röhrte Stefan, kicherte seltsam und klickte auf einen weiteren Ordner. Aktfotos. Mo blieb für einen Moment das Herz stehen.
„Was ist
das?“
, stieß er empört hervor, obgleich das ja ziemlich offensichtlich war.
„Langsam glaube ich, deine Theorie stimmt und er ist ein Ex-Lover von dir“, murmelte Stefan und nickte vor sich hin.
Er klickte von Bild zu Bild, ließ jedes lange genug geöffnet, damit Mo es ausgiebig betrachten konnte. Sie zeigten Ian Yery splitternackt und in erotischen Posen. Die Fotos waren durch die Bank künstlerisch anspruchsvoll, das Spiel mit Licht und Schatten verdeckte viel, ließ vieles nur erahnen. Zwar zeigte keines
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