Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
Programme nicht aus, das alles auch so umzusetzen. Nils würde nicht mal den halben Nachmittag benötigen, um daraus anständige, brauchbare Daten zu zaubern.
Der Auftrag ließ seine Gedanken wieder Richtung Mo abschweifen. Er dachte an die Berührungen bei den gemeinsamen Übungen im Selbstverteidigungskurs. Nils' Bauch kribbelte und sein Schwanz pochte.
Da kam plötzlich eine E-Mail herein – von diesem Verrückten. Verdammt! Innerhalb von Sekunden wurde aus der sexuellen Erregung grelle Panik. Auch wenn er wusste, dass es klüger war, diese E-Mail nicht hier auf der Arbeit zu lesen, zumindest wenn er heute noch etwas schaffen wollte, konnte er der Verlockung nicht widerstehen.
Die Worte des Wahnsinnigen waren zwar weniger offensiv als letztes Mal, dafür aber gespickt mit versteckten Drohungen. Es ging schon längst nicht mehr um das ursprüngliche Thema, falls es überhaupt je sachlich darum gegangen war, sondern nur noch darum, einander wüste Pöbeleien an den Kopf zu werfen. Nils behagte diese Veränderung in der Wortwahl des Verrückten nicht. Sie wirkten weniger verrückt sondern vielmehr, als säße da ein richtig Krimineller, der ihn systematisch fertig machen wollte. Soweit also dazu, dass er innerhalb von zwei Stunden den
'Erste Hilfe Auftrag'
erledigen könnte. Vor lauter Panik konnte Nils keinen klaren Gedanken fassen. Er verfluchte sich dafür, die Gaspistole nicht mitgenommen zu haben. Nach nur einer einzigen Einheit in Selbstverteidigung war er gewiss noch lange nicht bereit, sich gegen einen gefährlichen Irren zur Wehr zu setzen.
… Revanche …
Mo irrte durch den unübersichtlichen Gebäudekomplex und las bei jedem Hauseingang die Schilder. Er hatte den Auftrag erhalten, die mehr als gelungenen Sujets für den Verein abholen, um die Folder im Copyshop zu drucken. Die ganze Angelegenheit war ihm ein bisschen peinlich, denn ursprünglich hatte er die Unterlagen selbst setzen wollen und sich im Verein dazu noch großmäulig hervorgetan. Doch dann hatte er weder die Zeit, noch die Nerven dazu gehabt – woran einzig und allein der irre Stalker Schuld hatte. Okay, und er hatte sich in die Sache verrannt. Immerhin hatte ihm Judith aus der Klemme geholfen, da sie jemanden kannte, der wiederum jemanden kannte, der jemanden kannte, der die Sache wieder geradebiegen konnte. Was auch immer Judith dafür hatte tun müssen, die Agentur, deren Büro er bereits seit einer halben Stunde suchte, hatte die Folder gratis neu gestaltet. Sie waren wirklich großartig geworden.
Endlich fand Mo den richtigen Eingang und betrat das Gebäude. Es wirkte innen genauso heruntergekommen wie außen. Im Fahrstuhl, mit dem er in den elften Stock hochfuhr, roch es sehr eigenartig. Er hätte lieber die Treppe nehmen sollen, aber die Wegbeschreibung der Dame, mit der er telefoniert hatte, orientierte sich ausschließlich am Lift. Mo befürchtete, er würde sich wieder verlaufen, wenn er jetzt auch noch damit begann, hier die Treppen zu suchen.
Die Firma war sehr viel kleiner, als er erwartet hatte. Mo hatte eine Menge Agenturen von innen gesehen, als er damals als Fahrradbote gejobbt hatte. Selten war er einer so bedrückenden Atmosphäre begegnet – sie erinnerte an die weihnachtliche Zwangszusammenkunft einer Familie, deren Mitglieder sich weder wirklich kannten, noch mochten.
„Ich bin wegen der Druckunterlagen für den Kletterverein da! Ich wurde vorhin angerufen, dass sie fertig sind“, erklärte Mo der dicklichen Dame am Empfang. Der Stimme nach zu urteilen war das die Frau gewesen, mit der er bezüglich der Wegbeschreibung telefoniert hatte.
„Ah!“, quietschte sie unvermittelt auf und Mo erschrak. „Das ist doch der
'Erste Hilfe Auftrag'.
“
„Hm – ja,“ murmelte Mo und errötete. Das war eine ziemlich treffende Bezeichnung für die peinliche Angelegenheit. Jetzt – viel zu spät – fiel ihm ein, dass er vielleicht ein kleines Dankeschön hätte mitbringen können. Eine Flasche edlen Wein vielleicht oder einen großen Korb mit frischem, exotischem Obst.
„Niiihiiils, das ist für diiihiiich!“, rief die Dame quer durchs Büro. Offenbar führte man hier unter Mitarbeitern keine Telefonate. Mo amüsierte sich darüber, innerhalb einer Woche bereits zum zweiten Mal über diesen Namen zu stolpern. Mit einem versonnenen Lächeln dachte er an den schüchternen Mann aus dem Selbstverteidigungskurs, da entdeckte er ihn auch schon, wie er mit rotem Kopf auf ihn zumarschierte. Mos Herz jubelte, als er
Weitere Kostenlose Bücher