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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Die Ausgelassenheit vermittelte eine Atmosphäre, als hätten die Geschäfte einen »Tag der offenen Tür« mit unendlichen Gratisangeboten. Die Kundschaft verfiel in einen Konsumrausch und Einkaufswagen wurden zum Bersten gefüllt. Doch das kalte Erwachen kam unmittelbar an der Kasse. Dort musste eine Familie vor uns in der Warteschlange ernüchtert feststellen, dass sie nicht genügend Geld für ihren massenhaften Einkauf besaß. Eigens für diese Fälle abgestellte Mitarbeiter wurden herangeklingelt und räumten den Berg an Produkten wieder zurück in die Regale. An anderen Kassen sahen wir eine ähnliche Prozedur. Die geplatzten Träume der Konsumenten räumte keiner weg.
     
    Trotz des angebrochenen Feierabends gingen die Argentinier in der Einkaufsstraße mit zügigen Schritten. Die Absätze erzeugten auf den Gehwegplatten einen gleichmäßigen Rhythmus. Ich blieb stehen, weil mich eine laute Stimme aus meiner verträumten Beobachtung riss.
    »Du solltest dich schämen«, rief eine ältere Frau einer jüngeren zu. Die Ältere trug einen eleganten Mantel und das Haar war perfekt frisiert. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich eine starke Erregung ab, als sie laut rief: »Du solltest arbeiten, anstatt deinen Jungen zum Betteln auf die Straße zu schicken.« Ihre Stimme überschlug sich vor Betroffenheit.
    Die angesprochene junge Frau lächelte sie hochnäsig an. Sie war stark übergewichtig und trug die Art Körperfett, die durch minderwertige und ungesunde Nahrungsmittel entstand. Ihr Körperumfang war das Gegenteil zur Unterernährung, aber Ausdruck ihrer Armut. Ein kleiner Junge saß zu ihren Füßen und hielt ein Akkordeon. Er war kein Kind, das mit musikalischen Einlagen in der Einkaufsstraße sein Taschengeld aufbessern wollte. Der bettelnde Junge trug durchlöcherte, schmutzige Kleidung. Eine Sammeldose stand ohne Inhalt vor ihm. Die hatte seine Mutter wahrscheinlich zuvor geleert, mit der Absicht ihren Sohn schnell und unbemerkt wieder verlassen zu können. Dabei war sie von der älteren Frau beobachtet worden, die sie nun laut zur Rede stellte. »Du solltest arbeiten, nicht dein Junge«, hallte es durch die Straßenschlucht. Der kleine Junge saß unbeteiligt an einer Hausmauer. Die finanzielle Last der Familie schien auf seinen zarten Schultern zu liegen, und er fing wieder – wie ferngesteuert – zu spielen an. Als gäbe es nur eine Aufgabe für ihn, die er ohne Unterlass zu erfüllen hatte. Seine Umgebung schien er vollkommen auszublenden. Die Mutter hatte genug von der lautstarken Auseinandersetzung und stahl sich um die nächste Hausecke davon. Nur die Töne des Akkordeons blieben.
    Einige Meter entfernt von dem Jungen schoben sich die Passanten in die noble Einkaufspassage »Galerías Pacífico«. Auch ich ließ mich dorthin treiben.
    In unmittelbarer Nähe des bettelnden Kindes wirkte die luxuriöse Umgebung fast zynisch. Sicherheitspersonal bewachte an den Eingangstüren das glamouröse Gebäude. Ihre Uniformen trugen akkurate Bügelfalten. Die Männer strahlten Seriosität aus und mit den Waffen an ihren Gürteln zusätzlich Kontrolle und Macht.
    Diese Passage für solvente Kunden glich vielen luxuriösen Einkaufsgalerien überall auf der Welt. Es fiel jedoch auf, dass die »Galerías Pacífico« nicht zur Kategorie gehörte, in denen gelangweilte Jugendliche nach der Schule abhingen und Senioren sich stundenlang auf den Bänken ihre Einsamkeit vertrieben. Hier blinkte nichts in schrillen Neonfarben oder störte auf eine andere Weise das ästhetische Gesamtbild. Vergoldete Treppenläufe führten die Besucher über Hochglanzböden auf drei Ebenen. Die Fassaden einzelner Läden mit hohen Säulen und aufwendigen Stuckarbeiten verschmolzen zu einer Straßenflucht und glichen einem alten und ehrwürdigen Stadtteil. Große Springbrunnen und ein raffiniertes Lichtspiel täuschten darüber hinweg, dass man sich nicht im Freien bei Tageslicht befand.
    Dass ich mich leisen Schrittes bewegte, bemerkte ich erst, als ich direkt unter einer gigantischen Kuppel stand. Ich stoppte überrascht und schaute nach oben. Der Kuppelbau der Einkaufspassage versprühte die Erhabenheit eines Gotteshauses. Den gemalten Figuren an der Decke standen, wie auch in kirchlichen Sakralbauten, Leiden ins Gesicht geschrieben. Es schwebten hüllenlose Frauen mit langen blonden Haaren durch die Lüfte. Manche hielten ihre ebenso nackten Kinder auf den Armen. Wohlgeformte Brüste und rundliche Pobacken rekelten sich auf dem Putz der

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