iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
Rinderweiden.
»Der Fisch stinkt vom Kopf«, skandierten oft die Einheimischen, die schnell auf das Thema des bankrotten und korrupten Staats zu sprechen kamen. Die Regierung hatte über lange Zeiträume ausgegeben, was gar nicht vorhanden war. Das Volk verfiel ebenso der Verschwendungssucht, die von den Mächtigen vorgelebt wurde. Blind und kopflos folgten die Argentinier der Führung ins Verderben und rissen nachfolgende Generationen mit.
Wo war die unbeschwerte Leichtigkeit des Latinolebens im Land des Fußballs geblieben?, fragten wir uns mehr als einmal. Die Bevölkerung agierte teilweise mit einer Lethargie, die vermuten ließ, dass für sie nichts mehr mühelos zu erreichen war. Geldverdienen und das eigene Leben zu bestreiten schon gar nicht.
Nachdem Ingo und ich ein halbes Jahr den südlichen Teil des südamerikanischen Kontinents bereist hatten, verließen wir nun endgültig den Gebirgszug der Anden, um in nordöstlicher Richtung zu den größten zusammenhängenden Wasserfällen in Iguazú und später nach Paraguay, Südbrasilien und Uruguay zu reisen.
Wenige hundert Kilometer von den Wasserfällen entfernt fuhren wir durch eine argentinische Kleinstadt. Plötzlich sprang ein uniformierter Polizist aus einer Wache am Straßenrand. Er hatte anscheinend unseren ausländischen Camper von weitem gesehen und gestikulierte wild mit erhobenen Armen, um uns anzuhalten.
Ich verdrehte die Augen und fragte Ingo: »Der wievielte korrupte Polizist ist der da auf unserer Reise?«
Auf bestechliche Schurken mit Polizeimarke waren wir in vielen Ländern gestoßen. Mal dreist, mal lustig, mal vehement fordernd, mal mit Blaulicht oder ohrenbetäubender Sirene. Sie fühlten sich in ihrer Position mächtig genug, um zusätzlich zu ihrem Gehalt noch weitere Geldquellen anzuzapfen. Bestechung und Korruption waren anscheinend auch in Argentinien ein Kavaliersdelikt. Andere Reisende hatten uns bereits vor den speziellen Schikanen und Fallen der Polizei insbesondere in dieser Region gewarnt.
»Komm schon«, sagte Ingo lächelnd zu mir. »Der Schupo sieht doch ganz freundlich aus. Schau mal, wie nett er uns anlächelt in seiner schicken Uniform.« Wir bogen auf den staubigen Randstreifen, machten den Motor aus und warteten ab.
Ich schaute in den Rückspiegel und beobachtete den Polizisten, der gewichtig um unseren Wagen herumlief. Er schaute sich offensichtlich jedes Details an, obwohl es aus unserer Sicht nichts zu beanstanden gab. Wir hatten an der ersten argentinischen Grenze vorsorglich alle geltenden Vorschriften mit einem Verantwortlichen der Nationalpolizei abgeklärt. Selbst die zusätzlich erforderlichen Reflektoren hatten wir gemeinsam mit ihm aufgeklebt.
Ingo drehte die Scheibe herunter, als der Uniformierte sich vor dem Fahrerfenster aufbaute. Dieser richtete direkt seine Fragen an den »Mann«, an Ingo, der aber schweigsam und unbeteiligt blieb. Stattdessen antwortete ich. Wir klärten ihn nicht auf, dass ich einfach besser spanisch sprach und deshalb die Konversation übernehmen musste. Die Mimik des Polizisten verriet seine Verstimmung, denn offensichtlich wollte er sich nur mit einem anderen Vertreter seines Geschlechts messen und nicht mit mir, einer Frau.
Nach einem kurzen Geplänkel kam er zur Sache. Er verlangte alle Dokumente, darunter auch die Fahrzeug- und Importpapiere. Wir reichten ihm echt aussehende Farbkopien, jedoch kein Bestechungsgeld. Die meisten Tricks und Kniffe hatten unter den Reisenden die Runde gemacht. Mit jeder Polizei- und Militärkontrolle oder Zoll- und Hafenbehörde wuchsen auch unsere eigenen Erfahrungen. Wir hatten einzuschätzen gelernt, wann sich Gegenwehr lohnte und wann wir besser ohne ein Wenn-und-aber die Spielregeln und Anweisungen befolgten.
Der Polizist forderte uns auf, ihm das Innere des Campers zu zeigen. Ich stieg aus dem Wagen und ließ ihn die Wohnkabine durchsuchen. Wonach er suchte, wollte er mir nicht verraten. Zumindest verriet sein Gesicht, dass er erfolglos war. Der Kontrollgang rund um den Camper ging weiter. Er verbiss sich wie ein kleiner Terrier und wollte auf keinen Fall kampflos, und vor allem nicht geldlos, von uns ablassen. Die Dollarzeichen in seinen Augen flackerten wie die Gewinnanzeige eines Spielautomaten.
Seine Vorwürfe angeblicher technischer Mängel entkräftete ich charmant. Als ich dem argentinischen Gesetzeshüter auch noch freudestrahlend den zweiten Feuerlöscher und ein altes Bettlaken, das als Leichentuch bei möglichen
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