iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
untersuchen. Die eitrige Ohrentzündung, die nun diagnostiziert wurde, reichte für sich schon aus, um mich nicht am nächsten Tag in ein Flugzeug steigen zu lassen. Es folgten weitere Untersuchungen.
Nachdem unser Gespräch beendet war, überreichte mir mein Arzt eine Krankschreibung ohne Vermerk meines Leidens.
Puh, dachte ich erleichtert. Nicht über die generelle Tatsache der Krankschreibung war ich froh, sondern dass keine Diagnose darauf stand. Das Schreiben hielt mich für zwei Wochen fern von meiner Arbeit. Es war eine schriftliche Entschuldigung vom Arzt, ganz offiziell und noch nichts Dramatisches.
Nach dem Arzttermin stieg ich erschöpft in meinen Wagen. Es war zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Birte fuhr in ihrem Auto vom Parkplatz und mit ihr meine Krankmeldung, die sie abgeben wollte. Ich hätte die Krankschreibung zerreißen können, bevor Birte sie mir aus der Hand genommen hatte, doch nun gab es kein Zurück mehr. Was wohl die Kollegen und Mitarbeiter in der Firma sagen werden?
Ich klappte die Sonnenblende in meinem Wagen herunter und schaute mich an. »Verdammt«, sagte ich laut. Die Augen leuchteten, durchzogen von roten Äderchen, und von tiefen dunklen Schatten eingerahmt. Meine Gesichtshaut wirkte aschgrau, fahl und faltig. Dabei hatte ich mir beim letzten Flugzwischenstopp schnell noch in einem Duty-free-Shop eine besonders gute Gesichtscreme gegönnt. Gut sollte sie sein, bei dem Preis. Die werbliche Verpackung versprach in wohlklingenden Hieroglyphen Kraft und Vitalität, speziell für die sensible Haut des Mannes im mittleren Alter, schon durch einmaliges Auftragen.
Vielleicht wirkte sie bloß als zentimeterdicke Maske, denn ich sah elendig aus. Oder hatte ich sie noch gar nicht benutzt? Ich wusste es nicht mehr. Genauso wenig wusste ich, ob heute die Sonne geschienen oder es geregnet hatte.
Ich fuhr nach Hause und schloss die Tür zur leeren Wohnung auf. Hilflos stand ich im Flur und stellte meine Tasche ab. Ich ging weiter in die Küche, wo unser benutztes Frühstücksgeschirr in der Spüle stand. Ich sah mich um und wusste nichts mit mir anzufangen. Was sollte ich nun in dieser Wohnung machen? Was bloß? Es gab in der Firma so viel Arbeit zu tun.
Zwei Wochen erlaubte mir die Krankmeldung, mich in meine eigenen vier Wände zurückzuziehen. Ich durfte mich offiziell in meiner Höhle verkriechen. Mein unsichtbares evolutionäres Frühwarnsystem meldete hier keinen Alarm. Ich konnte die Keule unberührt draußen vorm Höhleneingang stehen lassen.
Blöde Ohrenentzündung! Saudummer Zeitpunkt, den sich mein Ohr für eine Entzündung ausgesucht hatte, redete ich mir ein. Es war doch sonst alles in bester Ordnung.
Mein Bauchgefühl schwieg jedoch nicht. Es sagte mir in diesem Moment etwas ganz anderes, und das tat es schon seit langem.
Aber es sollte noch dauern, bis ich erkannte, dass ich mir selbst die größten Lügengeschichten erzählte.
Nichts war in Ordnung. Gar nichts!
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E rst wenige Wochen war es her, dass wir an der Ostküste Kanadas in Halifax gelandet waren. Unseren Ford F250 Pick-up fanden Birte und ich unter einem riesigen Schneehaufen auf dem Hafengelände wieder, wohin er von Hamburg aus verschifft worden war. Unter den kanadischen Autos fiel unser hubraumstarker 4x4 Truck gar nicht mehr auf. Viele Arbeitsfahrzeuge nutzten die praktische, offene Ladefläche für Transporte. Manchmal kläffte auch nur ein großer Hund von der Pritsche und verteidigte sein Revier.
Auf unserer lag eine große, verschlossene Holzkiste, vollgepackt mit Ausstattungsgegenständen für die Reise. Bisher hatten wir noch keine Wohnkabine, die dann huckepack auf der Ladefläche unseres Pick-ups liegen sollte. Die wollten wir uns hier in Kanada suchen.
Bei erträglichen minus fünf Grad Celsius starteten wir von Halifax an der Ostküste unsere Tour. Zunächst fuhren wir auf dem Trans-Canada Highway immer weiter Richtung Westen. Unterwegs übernachteten wir in gemütlichen, privaten Pensionen, »bed & breakfast«.
Das Thermometer sank mit jedem gefahrenen Kilometer ins Landesinnere bedrohlich und die Schneemassen türmten sich zu schwindelerregenden Höhen auf. Bei einem Pinkelstopp im Freien bei minus vierzig Grad Celsius und starkem Wind fiel mir der Witz über den Eiswürfel pinkelnden Eskimo ein. Die
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