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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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meinem Kopf. Nur noch ihre schroffe Stimme blieb übrig.
    Meine Niedergeschlagenheit war unermesslich groß. Dabei waren ihre grobschlächtigen Fragen nur teilweise Schuld an meinem Gefühl. Ich war vielmehr maßlos enttäuscht darüber, dass ihre Worte überhaupt diese Reaktion in mir auslösen konnten. Sie war eine mir völlig fremde Person und trotzdem nahm ich mir das Gespräch zu Herzen. In nur wenigen Momenten hatte sie meine gesamte Bandbreite an positiven Gefühlen vernichtet. Einfach so. Warum konnte das geschehen? Fieberhaft überlegte ich und fand keine Antwort darauf.
    Ich drehte mich anderen Gesprächspartnern zu, aber konnte ihre dominante Stimme und die Wortfetzen kaum ausblenden. Allgemeine Plattitüden wie »Man hört ja immer wieder, dass Aussteiger nach ihrer Rückkehr keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen«, »Kann man sich denn nach so einer Reise wieder in die Gesellschaft integrieren?« oder »Wie funktioniert das denn mit der Rente, wenn ihr jetzt nicht einzahlt?«, drangen an mein Ohr.
    Ich machte drei Kreuze als ich sie und ihr Mann kurze Zeit später wieder an der Tür verabschieden konnte. Sie hatte wohl auch gemerkt, dass es Zeit war, zu gehen. Warum hatte ich ihnen auch etwas zu trinken anbieten müssen?, ärgerte ich mich.
     
    Trotz der Begebenheit war der Abend mit den Freunden harmonisch zu Ende gegangen. Wir räumten ein wenig auf, so dass die Übernachtungsgäste ihre Matratzen, Isomatten und Gästebetten ausbreiten konnten.
    Als Ingo und ich im Bett lagen, sprachen wir über das Pärchen.
    »Warum hat sie diese bescheuerten Fragen gestellt? Aus Neid, aus Boshaftigkeit und weil sie einfach nichts Sinnvolles fragen kann?«, stellte ich nun Ingo die Fragen, für die ich selbst keine Antwort gefunden hatte.
    »Wahrscheinlich war es ein Mix aus allem. Dafür kenne ich sie zu wenig. Vielleicht hatte sie sich einfach nichts bei ihren Fragen gedacht oder hatte einen schlechten Tag erwischt.«
    Genau, dachte ich. Der Kopf war nur dafür da, damit es nicht reinregnete. Und mit schlechten Tagen kannten Ingo und ich uns ja aus. »Aber gerade wenn man nichts weiß, kann man doch die Klappe halten.« Jetzt fühlte ich mich nicht mehr wie das schlappe, gerupfte Hühnchen, sondern eher wie ein schwarzes Federvieh, das mit seinen Krallen Augen auskratzen konnte. »Dusselige Kuh. Ich platze fast vor Freude über die Reise und dann so etwas. Dabei hatte ich von Anfang an kein gesteigertes Bedürfnis mit ihr über unsere Pläne zu reden.« Ein unerwartet lauter Seufzer kroch aus meiner Kehle hoch. Ich war immer noch aufgewühlt.
    Ingo lag auf dem Rücken und schaute an die Zimmerdecke.
    Wir sagten eine Zeit lang gar nichts. Jeder war in seinen Gedanken versunken, ließ die Müdigkeit zu und wurde schläfrig. Ich beruhigte mich wieder. Aber mir wurde langsam bewusst, warum mich ihre Fragen so hart getroffen hatten. Für mich waren zwar die geplante Tour und alle Entscheidungen rein rational getroffen worden, aber ich hatte sie noch nicht verinnerlicht. Die Pläne hatten noch keine Chance erhalten, sich zu verfestigen. Sie waren noch zu unsicher, weshalb meine Überzeugung wohl noch keinem groben Angriff standhalten konnte.
    »Ingo, wir dürfen das nicht mehr machen. Wir reden alles tot. Mit Menschen, die uns nicht wichtig sind und an denen wir uns nicht produktiv reiben, sondern nur aufreiben.«
    Er drehte sich im Bett zu mir um. »Stimmt. Außerdem kann ich mittlerweile kaum noch unterscheiden, aus welcher Motivation heraus sie diese Bemerkungen machen. Es sind wahrscheinlich viel mehr Leute auf uns neidisch, als wir es vermuten. Vielleicht nicht unbedingt auf uns, aber auf das, was wir machen werden. Sie selbst würden sich diese Möglichkeit nie herausnehmen und deshalb gönnen sie es auch keinem anderen. Ich kann mit den neidischen und negativen Anspielungen auch nicht besonders gut umgehen. Mich deprimiert es auch.«
    Ich schaute Ingo an, dessen Augen langsam zufielen. Nein, dachte ich still, auf uns waren sie sicherlich nicht mehr neidisch. Zumindest nicht auf Ingo, der als Vierzigjähriger »auf dem Höhepunkt seiner Karriere«, wie es in einigen Nachrufen hieß, krank wurde.
    Ingo lag mit geschlossenen Augen neben mir und sein Brustkorb hob und senkte sich ruhig. Er war eingeschlafen, auch das ließ sein Körper wieder zu.
    Ich knipste die kleine Lampe am Bett aus und lauschte. Aus den beiden Wohnzimmern kroch das leise Schnarchen der Freunde den Flur entlang. Auch das würde am Ende des

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