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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Dabei war die Entstehung dieses Gebietes alles andere als sanft gewesen, denn vergangene Vulkanausbrüche hatten das Landschaftsbild geprägt. Der Nationalpark, mit seinem fünftausendachthundertsiebenundneunzig Meter hohen aktiven Vulkan Cotopaxi, breitete sich vor uns aus.
    Wir fuhren durch den Park, überquerten auf einer schmalen Holzbrücke einen Flusslauf und parkten unseren Camper auf dem Gelände einer kleinen Gästehütte, dessen wohl dosierter Komfort durch das leise Summen eines Generators verraten wurde. Außerdem lebten einige Lamas hier, die neugierig ihre Köpfe reckten und das typische Urlaubsfoto von Südamerika vervollständigten.
    An diesen abseits gelegenen Ort im Nationalpark verirrten sich grundsätzlich nur wenige Reisende. Die Mehrzahl bog vorher auf den Weg ab, der zum höchsten erreichbaren Punkt auf viertausendsechshundert Meter Höhe führte und einfacher zu erreichen war.
    Zurzeit waren wir die einzigen Besucher, sowohl in der Hütte als auch mit einem Camper. Wir fühlten uns wie im Nirgendwo und waren nur von grandioser Natur umgeben. Es war menschenleer, einsam und völlig still. Bunte Kolibris flogen neugierig wie außerirdische Flugobjekte an uns heran und riesige Kondore über uns hinweg.
    Die verbrachten Tage im Nationalpark verstrichen in einer beruhigenden Langsamkeit mit langen Wanderungen, Lesen, Reiseerlebnisse aufschreiben und Fotos anschauen. Wir lernten alle Jahreszeiten innerhalb von vierundzwanzig Stunden kennen: zarte Schneeflocken, eisiger Nachtfrost, wärmender Sonnenschein und kübelweise Regen. Alles im rasanten Wechsel.
     
    Wir waren gerade von einer Wanderung zu einer Inkaruine im Park zurückgekommen und genossen einen heißen Kokatee im gemütlichen Camper, als von weitem ein großer Reisebus über die steinige Piste herangerumpelt kam. Es war keiner der einheimischen Busse, die daran zu erkennen waren, dass ihre Scheiben aus Mangel an Belüftung beschlugen und die Windschutzscheibe des Fahrers mit plüschigen Gardinen, Heiligenfiguren, Kreuzen und anderen Devotionalien verhangen waren. Auch standen auf dem Dach dieses Busses keine angebundenen Schafe, riesengroße Säcke mit Gemüse oder andere Kisten, die transportiert werden mussten.
    Dieses nagelneue Modell mit funktionierender Heizung und Stoßdämpfern und allem erdenklichem Komfort glich einer irrealen Luftspiegelung. Bei den Insassen im Reisebus konnte es sich nur um zahlungskräftige ausländische Touristen handeln, dachte ich.
    Der Bus steuerte in unsere Richtung. Er fuhr einen kleinen Bogen um unseren Camper herum. Währenddessen drückten sich bereits unzählige weißhäutige Nasen an die Scheiben. Die Chance, dass diese Nasen zu deutschen Touristen gehörten, lag bei gefühlten hundert Prozent. Überall, wo es schöne Flecke zu bereisen gab, hatten wir deutsche Touristen getroffen. Sie klagten in unseren Gesprächen mit ihnen immer über schlechte Zeiten und zu wenig Geld im Portemonnaie, aber das kannten wir ja von Deutschen nicht anders. Jammern auf hohem Niveau oder »Klappern gehört zum Handwerk«.
    Die Insassen des Busses schritten, nachdem der Bus angehalten hatte, etwas steif gesessen die Stufen herunter. Der Reiseleiter reichte ihnen hierfür seine helfende Hand. Ein Rentner folgte dem nächsten aus dem Bus. Die Müdigkeit verflog schlagartig, als ihre schweren Augen auf das Kennzeichen unseres Campers fielen.
    »Neeee, guck mal. Ich glaub, ich werd verrückt«, blökte ein Mann lautstark.
    »Magdeburger. Ossis«, erboste sich ein anderer.
    Unser Fahrzeugkennzeichen »MG« wurde nicht als Mönchengladbach entschlüsselt, sondern fälschlicherweise als Magdeburg. Damit konnten wir gut leben, sie scheinbar nicht. Ingo und ich saßen hinter den heruntergelassenen Jalousien, bissen uns vor Lachen auf die Lippen und horchten dem deutschsprachigen Gezeter.
    »Günter, jetzt sind die Ossis auch schon hier, mitten in Ecuador und mit einem eigenen Camper«, vollendete die Ehefrau mit Pudeldauerwelle schnippisch den Denkansatz ihres Gatten.
    »Die Ossis. Diese Schmarotzer. Bringen hier unseren Solidaritätszuschlag durch«, verkündete der Ehemann der Dauerwellenfrau. Er hatte es offensichtlich als Scherz gemeint, aber seine Stimmlage hatte die Ernsthaftigkeit seiner Aussage verraten. So nickten viele zustimmend mit versteinerter Miene und zogen in Gedanken die gefallene Mauer wieder hoch.
    »Heinz, hast du schon gesehen?«
    Sein Nachbar Günter konterte mit der präzisen Anzahl von acht Zylindern,

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