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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Weiße, westliche Touristen im Studentenalter staksten geräuschvoll mit ihren Wanderstöcken über das Kopfsteinpflaster. Lautes Klacken entsprang den Steinen und hallte in der Gasse wider. Sie gehörten augenscheinlich zu den fünfhundert zahlenden Touristen, die pro Tag auf den legendären Inka-Trail gingen. In vier Tagen würden sie auf ihrer Wanderung die Inkaruinen von Machu Picchu erreichen. Registriert und organisiert, denn keiner durfte unerlaubt über die alten Steine der Inkazeit wandern. Zumindest nicht auf diesem winzigen Teilstück des viele tausend Kilometer langen Inkaweges. Uns hatte das Straßen- und Wegenetz der alten Inkakultur bereits vom Norden des südamerikanischen Kontinents begleitet und würde das auch noch weiter bis ins zentrale Chile tun.
    Der Touristenführer, mit dem wir in der Cordillera Blanca gewandert waren, hatte zuvor jahrelang als »Guide« auf dem Inka-Trail nach Machu Picchu gearbeitet. Auf unserer Wanderung hatte er an einem Abend von dem Job berichtet: Auf dem Inka-Trail waren keine Packesel erlaubt, sondern nur Männer. Die Träger müssten im wahrsten Sinne des Wortes alles schleppen, manchmal auch kraftlose Touristen, die zu Beginn nicht in die Lastenplanung einkalkuliert werden konnten. Die gingen zwar die ersten Kilometer selbständig, fielen dann aber um und müssten bis zum bitteren Ende mitgeschleppt werden.
    Als er uns diese Geschichten erzählt hatte, lachten wir noch über seine Schilderungen.
    Nun sahen wir die beladenen Träger aus seinen Erzählungen und uns kam ein Lachen völlig unangemessen vor. Der Guide hatte uns auch von untrainierten Kollabierten, Frauen mit Fehlgeburten, kotzenden Höhenkranken und Toten berichtet, die alle von den Trägern unterwegs geschultert werden mussten. Denn der Weg war weit, die Anden hoch und der Geist willig, aber der Körper schwach oder einfach nicht geübt. Viele der Touristen setzten dabei voraus, dass sie im Notfall per geländegängigem Fahrzeug oder aus der Luft gerettet werden könnten. In Anlehnung an die Gelben Engel des deutschen Automobilclubs. Doch auch sie hatten ihre Grenzen und hier gestutzte Flügel, denn die südamerikanischen Anden waren eben doch nicht die europäischen Alpen. Im Laufe der Wanderung mussten einige feststellen, dass sich in diesem Gebiet nicht alles mit Geld kaufen ließ, auch wenn mit ausländischen Devisen alles machbar und spottbillig erschien. Was nicht zu kaufen war, erfuhren sie spätestens im Notfall oder eben nie mehr.
    Besonders in den Touristenzentren begegneten wir diesen Menschen, die dem Urlaubsruf in spottbillige Entwicklungsländer gefolgt waren. Denn für die Maßstäbe einer Industrienation galten diese Reiseangebote als Schnäppchen. Die Abenteuerlust konnte, ohne die Kreditkarte ins Qualmen zu bringen, voll ausgelebt werden. Dass sie etwas tun konnten, reichte aus, um es zu unternehmen. Sie wollten dem Rausch und den nächsten Adrenalinkick der »ings« verfallen: trekking, rafting, paragliding, downhill-biking, bungee-jumping, drinking, partying, einfach alles, woran ein ING gehängt werden konnte.
     
    Die Stöcke einer jungen Frau aus der ausländischen Wandergruppe hatten sich zwischen zwei Steinen verhakt. Sie strauchelte. Ihre Ungeschicktheit kaschierte sie mit einem schrillen Lachen. Nachdem sie sich gefangen hatte, plapperte sie ungewöhnlich laut in englischer Sprache mit den anderen weiter. Einheimische drehten sich still nach dem Lärm um, denn die Stimmung war vorher ruhig gewesen. Sie selbst hatten sich in gedämpfter Stimmlage unterhalten.
    Einige der ausländischen Gruppe gingen nebeneinander her. Sie durchmischten sich nicht als Einzelpersonen mit den Peruanern, sondern schritten geballt wie ein Rammbock durch diese hindurch. Die Einheimischen mussten Platz machen, denn die Urlauber waren auf sich konzentriert und bemerkten gar nichts. Augen für ihre Umgebung hatten sie nicht. Nur für die gegrillten Meerschweinchen, die knusprig an einem Verkaufsstand zu sehen waren. »How disgusting«, wie ekelhaft, entsprang es einer weiblichen Kehle angewidert, die wahrscheinlich Chicken-Nuggets inklusive zerschredderter Innereinen als kulinarischen Hochgenuss empfand, aber die ihr unbekannte peruanische Esskultur ohne weitere Überlegungen abwertete.
    Die Wanderer trugen ein leichtes Gepäck auf dem Rücken, ein winziges Täschchen mit gepolsterten Riemen. In die kleinen Rucksäcke passten gerade einmal eine Unterhose zum Wechseln, ein Energieriegel und eine

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