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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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Welten der Leute blicken konnte. Seine Hände und Füße waren nicht mehr ausgestreckt, sie waren gekrümmt, reichten hoch und versuchten verzweifelt und gegen alle Logik umzukehren, was nicht umzukehren war.
    Weitere Worte erschienen in seinem Kopf. Er stand auf dem Balkon. Schaute hinaus …
    Warum liebst du mich nicht …?
    Alles wurde noch schneller. Und schneller. Geriet außer Kontrolle. Alles drehte sich. Schneller und schneller und schneller.
    Wessen Stimme war das?
    Ich liebe dich …
    Warum liebst du mich nicht …
    Geräusche brandeten auf, überrollten ihn: blökende Hupen, quietschende Reifen, bellende Hunde. Brüllende Menschen. Jemand schrie. Ein schmerzhafter, entsetzlicher Schrei, der die Luft vibrieren ließ, fegte über die Stadt hinweg. Eine Sirene des Todes.
    Es war sein Schrei. Lauter und entsetzter, während das Pflaster ihm entgegenraste, um ihn zu begrüßen, während ein Fußgängerpaar sich beeilte, sich vor ihm in Sicherheit zu bringen, während ein Auto auswich und eine Mülltonne umfuhr. Während sein Flug endete und die Zähne aus seinem Körper gebrochen wurden und seine Nase plattgedrückt wurde und dann auf dem Beton zerplatzte. Während sein Schädel zersplitterte und die Knochen in seinen Armen und Beinen und seine Hüfte und sein Rücken zerbrachen und zerschellten.
    Das Schreien verstummte.
    Einen Augenblick lang herrschte Stille.
    Und dann kam eine neue Sommerfarbe hinzu, ein leuchtendes, wildes Rot, das sich auf dem schmutziggrauen Bürgersteig von New York City unter ihm ausbreitete, dann in den Rinnstein floß und schnell über die ausgefransten schwarzen Teerflecken strömte, mit denen die Fahrbahn vor kurzem ausgebessert worden war.

Achtundzwanzig
    Latrell Sprewell erzielte seinen zwölften Punkt im ersten Viertel, eine wunderschöne Drehung unter dem Korb, gefolgt von einem eher verhaltenen Sprungwurf aus etwa einem Meter fünfzig Entfernung über die ausgestreckten Finger von Jalen Rose hinweg. Das Publikum spielte verrückt, und Sprewell hob eine Faust, stieß sie mehrmals triumphierend in die Luft, und die Knicks erreichten ihre höchste Führung an diesem Abend: acht Punkte.
    Normalerweise gab es keinen Ort, an dem Jack Keller lieber war als im Madison Square Garden während eines Playoffspiels der New York Knicks. Vor allem auf seinem Platz in der zweiten Reihe, in der Ecke, direkt unter dem Korb der Heimmannschaft. Er liebte die Erregung der Zuschauermenge und die Computergrafik auf der Anzeigetafel, die Knick City Dancers und am meisten das Spiel an sich. Vor allem heute abend hätte Jack im siebten Himmel schweben sollen. Sein geliebtes Team jagte und neutralisierte Reggie Miller, Sprewell drängte zum Korb, wie nur er es vermochte, und seine Distanzwürfe trafen, und während das Spiel die ganze Zeit ziemlich eng war, führten die Knicks von Anfang an. Sie hatten diese Aura: die Aura der Sieger. Doch als die letzte Sirene erklang und das Spiel vorüber war, 103 zu 98 für die Knicks – damit waren sie unterwegs nach Los Angeles, um in den Finals auf die Lakers zu treffen –, beteiligte Jack sich nicht an der Hysterie und Begeisterung ringsum. Er nahm kaum wahr, wie Allan Houston, den Ball hoch über den Kopf haltend, das Spielfeld umrundete. Er sah nicht, wie Spree mit den Zuschauern in den unteren Sitzreihen High Fives austauschte, und er hörte kaum, wie seine alten Kumpane und verrückt spielenden Mitfans – Saisonkarteninhaber, Platzanweiser, fliegenden Händler – ihm gratulierten, spürte nicht, wie sie ihm auf den Rücken klopften. Um ihn herum umarmten die Leute einander und jubelten, aber Jack starrte noch immer auf den leeren Platz neben sich, den Platz, der während des ganzen Spiels unbesetzt geblieben war. Während die Menge aufsprang und herumtanzte und mit lauten Gebrüll verlangte, die Spieler sollten zurückkommen und mitfeiern, verließ Jack eilig die Arena, rannte hinaus auf die 8th Avenue, holte sein Handy aus der Tasche und wählte, während er den Kopf vor dem betäubenden Lärm, der auf die Straße hinausdrang, leicht duckte.
    Er war sauer.
    Jack hatte etwas gegen Verantwortungslosigkeit. Er hatte etwas dagegen, eine Eintrittskarte für die Knicks zu vergeuden. Und erst recht hatte er etwas dagegen, versetzt zu werden.
    Er hatte zweimal während des Spiels angerufen. Einmal nach dem ersten Viertel, einmal während der Halbzeit. Beide Male hatte er dieselbe Bandaufnahme gehört, keinmal hatte er eine Nachricht hinterlassen. Jetzt, bei

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