Icarus
eher für Atmosphäre als für Licht sorgen sollte. Auf der anderen Seite des Raums, dem Bett gegenüber, stand ein Großbildfernseher auf einem Schrank, in den rechts und links große Lautsprecher eingebaut waren. Links vom Fernseher, auf dem Teppich, kein Tisch, war eine Stereoanlage zu sehen. Eine sehr teure dazu. Es war dasselbe Modell, das auch Jack in seiner Wohnung hatte.
Er wollte das Zimmer verlassen, verharrte und ging hinüber zu einem Wandschrank rechts neben der Fernsehkonsole. Er war voll mit maßgeschneiderten Armanianzügen und Oberhemden. Die Hemden waren in vier Farben vorhanden – weiß, hellblau, hellgrau, anthrazit und schwarz –, und zu jeder Farbengruppe gehörten fünf Stück. Dort hingen auch etwa zwanzig Banana-Republic-TShirts, ebenfalls in unterschiedlichen Farben und alle gebügelt. Sechs oder sieben Paare Bruno-Magli-Schuhe standen neben drei Paar Nikes auf dem Schrankboden.
Gott im Himmel, dachte Jack, das ist ja die reinste Herrenboutique.
Und sein nächster Gedanke war: Wer hat all das bezahlt?
In diesem Moment hörte er etwas, ein knarrendes Fußbodenbrett, und er schloß schnell die Schranktür. Er schüttelte den Kopf – welchen Unterschied machte es, ob der Schrank offen oder geschlossen war, er hielt sich unter einem falschen Vorwand in diesem Apartment auf, wahrscheinlich beging er allein damit, daß er hier drin war, schon ein Verbrechen – und lauschte. Aber das Geräusch war verstummt. Er kehrte ins Wohnzimmer zurück, schaute sich um. Nichts. Niemand war hereingekommen. Dauert gar nicht so lang, bis man paranoid wird, nicht wahr? dachte er. Wie schaffen Einbrecher es nur, damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten? Um auf Nummer Sicher zu gehen, ging er zur Wohnungstür und guckte durch den Spion. Er hatte wirklich etwas gehört. Das junge Ehepaar von gegenüber trug Einkäufe in sein Apartment und lachte. Er hörte, wie die Fahrstuhltür zuglitt und der Fahrstuhl wieder nach unten verschwand. Er verscheuchte seine Nervosität mit einem Achselzucken und begann die restliche Wohnung zu inspizieren.
Es gab ein zweites Zimmer, das eingerichtet war wie ein Minifitnessclub. Fast jede freie Wandfläche war verspiegelt, was dem Raum eine leicht surreale Ausstrahlung verlieh und außerdem von der Eitelkeit kündete, die seiner Einrichtung zugrunde lag. Die Geräte waren fast alle mit denen identisch, die Kid in Jacks Wohnung aufgestellt hatte, desgleichen die räumliche Aufteilung. Es gab drei Sitze, einer fürs Bankdrücken, einer fürs Beinstrecken undein flacher, der für fast jede Übung geeignet war. Dann war da ein Schrägbrett, das mit Dübeln an der Wand befestigt war. Außerdem eine Reihe von Hanteln, die auf eigens für diesen Zweck konstruierten Gestellen ruhten, welche unter und vor dem Fenster einer Wand aufgebaut worden waren. Da waren ein moderner Stair Master, ein Laufband und ein Versa Climber, den Jack nicht bei sich zu Hause hatte. In dem Raum gab es nichts anderes als Geräte. Nichts, das persönlich oder für das von Bedeutung war, wonach Jack Ausschau hielt – was immer es sein mochte, was er suchte. Daher strich er mit der Hand über einige Gewichte und versuchte eine Erklärung dafür zu finden, wie Kid sich das alles hatte leisten können. Dann ging er weiter, um sich in der Küche und im Eßzimmer umzusehen.
Das Eßzimmer war klein und im Grunde kaum mehr als ein Alkoven. Der Tisch trug eine schwarze Marmorplatte, und darum arrangiert waren sechs schwarz und weiß gepolsterte Stühle mit geraden Lehnen. In einem Schrank befanden sich Weingläser und Geschirr. Das Geschirr war kein feines Porzellan, sondern schlicht und von zeitloser Schönheit. Es sah aus, als stammte es von The Pottery Barn oder Williams-Sonoma.
Die Küche war wohl der seltsamste Raum der ganzen Wohnung, denn sie war wie für einen Profikoch eingerichtet. Den Mittelpunkt bildete ein Viking-Herd mit sechs Kochstellen, Konvektionsofen und verchromter Dunstabzugshaube darüber. Sämtliche Geräte waren aus Stahl, schwarz oder verchromt: ein Cuismart; ein Mixer, ebenfalls Cuisinart; eine Kitchen-Aid-Küchenmaschine mit sämtlichen Zusatzgeräten; eine Kaffeemaschine sowie eine Profi-Espressomaschine. Da war ein runder Chromring, der von der Decke herabhing und eine Ecke beherrschte – an seinen Haken hingen teure Töpfe und Pfannen, Gußeisenbräter und schwere Schmortöpfe. Links neben dem Herd stand ein kleiner Weinkühlschrank für 50 Flaschen. Jack konnte nicht anders, er
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