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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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getauft.
    Dieser verdammte Kerl, dachte er, während der Anflug eines Lächelns um seine Lippen spielte. Die Spitznamen wurden sorgfältig ausgesucht, das hatte Kid gesagt. War es das, was Kid von ihm gedacht hatte? War er nach allem, was gesagt und getan wurde, unter alldem, noch immer ein Metzger wie damals bei Dom, als er noch ein Junge war? Damals mit Kids Vater?
    Aus einem plötzlich Einfall heraus blätterte Jack schnell weiter bis zum Juni und schlug die Seite von Kids Todesdatum auf, aber sie war nicht da.
    Die ganze Seite war aus dem Buch herausgerissen worden, Jack runzelte die Stirn, legte den Kalender beiseite und fand ähnliche Terminkalender für die vorangegangen zwei Jahre. Im Vorjahr waren die Einträge weitgehend ähnlich. Eine Reihe von Verabredungen mit dem Metzger und mit der Totengräberin, mit Samsonite und mit der Entertainerin. Da waren auch noch andere Spitznamen, von denen Jack bisher nichts gehört hatte – Catwoman, Cayenne und Ginger –, und er begriff, daß diese Frauen zu Kids Team gehört hatten, ehe er wieder bei ihm aufgetaucht war, oder mit denen er Schluß gemacht hatte, ehe er sich mit Jack über diesen Teil seines Lebens unterhalten hatte.
    Er ging ein Jahr weiter zurück, und dort erschienen ein paar Spitznamen, aber mehr richtige Namen, vorwiegend von Frauen. Das ergab einen Sinn – damals war Kid noch nicht so intensiv als persönlicher Trainer tätig gewesen, daher brauchte er sich keine Spitznamen auszudenken. Der Name Charlotte erschien des öfteren. Und der Spitzname, der am häufigsten auftauchte, war Erfüllung.
    Jack wußte nicht, wie er sich all das erklären sollte. Es erschien durchaus interessant, aber es gab kein erkennbares Muster und nichts, das ihn zu irgend etwas Konkretem geführt hätte. Daß die letzte Seite aus Kids Buch herausgerissen worden war, konnte man sicher als reichlich ominös betrachten. Aber was, zum Teufel, hatte all das zu bedeuten?
    In einem anderen Karton – von diesem mußte er vorher das Klebeband herunterreißen – fand er Kids Vielfliegerausweis mitsamt dem aktuellen Stand der bisher geflogenen Meilen. Zuerst legte er die Liste, die eher einem Kontoauszug glich, achtlos beiseite, doch dann, aus irgendeinem Grund, nahm er sie wieder zur Hand. Er wußte, daß Kid nicht viel gereist war, aber er war trotzdem neugierig. Als er auf die Zusammenstellung der einzelnen Flüge blickte, verwandelte seine Neugier sich in Verblüffung. Während des vergangenen Jahrs – dem Zeitraum, in dem er fast jeden Tag mit Kid trainiert und seiner Auffassung nach alles über Kid erfahren hatte – hatte Kid 30 000 Meilen angesammelt. Allein während der letzten beiden Monate war er auf den Bermudas, in Palm Beach und in St. Bart’s gewesen.
    Das ist unmöglich, dachte Jack. Irgend etwas ist nicht ganz richtig. Aber ganz und gar nicht.
    Kid wäre niemals für zwei Tage verreist und hätte mir nichts davon gesagt. Er hat mich an allem, was er tat, teilhaben lassen. Er hätte erwähnt, daß er nach St. Bart’s fliegen wollte. Verdammt noch mal!
    Er schaute auf die Uhr und beeilte sich beim Durchsuchen des letzten Kartons. Darin fand er den Reiseplan eines Reisebüros für zwei Tickets nach Bermuda. Das Datum auf den Tickets war Mitte April, sechs Wochen vorher. Eine Kreditkartenquittung war an den Reiseplan geheftet, und die Kreditkarte schien jemandem namens Grave Enterprises zu gehören. Es gab keine Unterschrift. Sie war per Telefon belastet und akzeptiert worden. Jack verstaute die Quittung in seiner Hosentasche und betrachtete den noch ungeöffneten Karton.
    Er überlegte, ob er noch genügend Zeit hätte, ihn zu öffnen, oder ob er nach unten fahren und mit dem Hausmeister reden sollte. In diesem Moment hörte er ein weiteres Geräusch hinter sich. Ähnlich dem, das er vorhin schon einmal gehört zu haben glaubte. Im Apartment war es jetzt dunkler, die Schatten hatten sich vertieft, und er konnte nichts dafür, daß sein Mund sich plötzlich pergamenttrokken anfühlte.
    Er wußte, daß er sich lächerlich machte. Es war nichts. Auch diesmal war nichts. Oder es war der Hausmeister. Der Mann hatte angekündigt, er käme herauf und würde ihn holen, wenn Jack nicht rechtzeitig unten wäre.
    Noch immer auf den Knien, drehte er sich, während er sich reichlich lächerlich vorkam, halb zur Wohnungstür um, überzeugt, daß er sich getäuscht hatte. Und während er sich drehte, entschied er, daß er den letzten Karton öffnen und riskieren würde, daß der

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