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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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für das gebe, was passiert ist, ich fühle mich auch schuldig, weil ich derjenige bin, der überlebt hat.« Jack rammte jetzt das Messer in den Hackklotz, so daß es senkrecht darin steckenblieb. Er atmete tief durch. »Wenigstens bei meiner Mutter wissen wir, was geschah. Es war Wahnsinn, klar, aber es gab einen Abschluß, ein Ende. Bei Caroline haben wir den Täter nie gefunden. Er verschwand spurlos. Ich meine … niemand konnte ihn finden, und wie ist das möglich? Nicht die Polizei, nicht die Privatdetektive, die ich engagiert habe. Sie meinten, es wäre eine Zufallstat gewesen. Was bedeutet, daß keine Logik dahintersteckte. Also gab es keine Verbindungen, keine Hinweise. Kein richtiges Motiv, keine Idee, wie und warum er die Tat begangen hat. Damit muß ich leben. Nicht zu wissen, was eigentlich geschah und warum. Oder ob irgend etwas hätte getan werden können, um es zu verhindern … Und dann diese Sache mit Kid. Dom, du kanntest ihn ebenfalls. Du hast ihn aufwachsen sehen. Du weißt , daß er unmöglich in die Tiefe hatte springen können. Ich habe im vergangenen Jahr fast jeden Tag mit ihm verbracht. Habe mit ihm gearbeitet, mich mit ihm unterhalten, habe ihn verstanden. Und er hat etwas Außergewöhnliches geschafft. Er hat mich geheilt . Er hat mir die Schmerzen genommen. In vieler Hinsicht hat er mir das Leben zurückgegeben. Und ich glaube, daß ich ihm etwas schuldig bin. Und zwar einiges mehr als das, was er jetzt von allen anderen bekommt.«
    »Und was?« fragte Dom rauh. »Glaubst du, daß es Caroline zurückbringt, wenn du herauskriegst, was mit Kid wirklich geschehen ist? Findest du dann deinen Seelenfrieden? Was wird wohl passieren? Wird Kid aus seiner Grube auf dem Friedhof emporsteigen, um sich bei dir zu bedanken?«
    »Nein, ich glaube nicht, daß ich Caroline zurückholen kann. Oder Kid. Und nein, ich glaube nicht, daß es irgendeinen Zauber gibt, der die Vergangenheit ändern kann. Aber ich denke, ich kann wenigstens versuchen, es zu verstehen. Und genau das will ich jetzt. Ich will die Wahrheit. Ich brauche die Wahrheit. Ich muß etwas verstehen, was im Augenblick für mich keinen Sinn ergibt. Sobald ich das herausgefunden habe, mache ich mir Gedanken darüber, was danach sein wird. Erst dann .«
    »Okay, Jackie. Das gestehe ich dir zu. Ich weiß zwar nicht genau, wovon du, verdammt noch mal, redest, aber ich gebe zu, daß es irgendwie vernünftig klingt. Irgendwie. Aber was wirst du tun? Verwandelst du dich plötzlich in einen Superhelden mittleren Alters und ziehst herum und suchst einen Killer? Ich meine, verdammt noch mal, was hast du vor?«
    »Ich habe lange darüber nachgedacht«, sagte Jack. »Ich glaube, folgendes ist passiert. Kid hatte dieses Team, wie er es nannte. Vier oder fünf Frauen, mit denen er sich regelmäßig traf. Das war eine andere Seite von ihm, eine Seite, die wir nicht kannten … und es war eine sehr seltsame Seite. Er bewegte sich in einer seltsamen Welt. Er hat mir viel von ihnen erzählt. Einige nahmen Drogen, und einige hatten eine dunkle Vergangenheit, und vor einigen hatte er Angst. Er meinte, sie wären gefährlich, und das, was er von ihnen berichtete, klang, als wären sie es auch. Das war es, was ihm an ihnen gefiel.«
    »Mein Gott, Jackie …«
    »McCoy hat mir mitgeteilt, daß eine Frau bei Kid war, kurz bevor er starb. In seinem Apartment. Ich glaube, sie gehörte zu seinem Team. Ich will nur herausbekommen, wer diese Frauen sind. Welche von ihnen wirklich gefährlich sind. Und welche ihn getötet haben könnte. Welche das Motiv und die Gelegenheit dazu hatte. Dann gehe ich zu McCoy, mit einem Beweis , und lege ihn ihr auf den Tisch. Und wenn ich mich irre, wenn er wirklich Selbstmord begangen hat, dann ist das auch schon etwas. Dann verstehe ich das vielleicht.« Als Dom schwieg, offenbar keine Antwort wußte, sagte Jack: »Langsam komme ich zu der Überzeugung, daß es, wenn man älter wird, immer auf das gleiche hinausläuft: Abschlüsse. Alles geht zu Ende, auf die eine oder andere Weise. Und ich suche nicht einmal nach einem glücklichen Ende, denn wenn man es genau überlegt, gibt es so etwas wie ein glückliches Ende gar nicht. Ich suche nur nach einem Ende, einem Abschluß, Dom. Mehr nicht.«
    »Wirst du mir etwas versprechen?« fragte Dom, und seine Miene war düsterer als sonst. Als Jack nickte, sagte der Einarmige: »Ich bin vielleicht alt, aber ich weiß noch immer, wie es auf der Straße zugeht. Daher laß dir von mir helfen, wenn du

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