Icarus
hatte, in der Reade Street, zwei Blocks von Kids Apartmenthaus entfernt. Jack griff in die linke Hosentasche, um den Wagenschlüssel herauszuholen, und spürte dort ein Stück Papier, das er einen kurzen Moment lang nicht erkannte. Und dann fiel es ihm nach und nach ein. Er holte den Zettel hervor und faltete ihn auseinander.
Kids Reisequittung.
Mit einem Namen: Grave Enterprises.
Und einer Kreditkartennummer.
Jack spürte, wie plötzlich Erregung in ihm aufbrandete, während er sich hinter das Lenkrad seines Wagens setzte. Er hatte eine Information. Er hatte einen Beweis. Okay, dachte er. Okay!
Während er zum West Side Highway gelangte und stadtauswärts fuhr, kam ihm der nächste Gedanke, der aber nicht annähernd so aufregend war.
Was nun?
»Hmmmm«, murmelte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Das nächste Wort klang vage wie ein »Ja«. Es konnte eine Frage sein.
»Randy?«
»Yo.« Die Stimme klang verschlafen, als wäre er gerade geweckt worden. Jack schaute auf die Uhr. 20:30.
»Hier ist Jack Keller.«
»Mr. K! Was liegt an?«
»Habe ich Sie geweckt?«
»Nun …« Die Stimme zögerte. Es war ein Zögern, wie man es hört, wenn jemand aus dem Schlaf gerissen wurde, es aber nicht zugeben will. »Irgendwie schon«, antwortete er. »Wie spät ist es?«
»Halb neun.«
»Morgens oder abends?«
»Abends«, sagte Jack. »Sind Sie okay?«
»Ja, ja.« Die Stimme wachte jetzt auf und wurde wieder klarer. »Ich habe an einem komplizierten Auftrag gearbeitet. Ein Sicherheitssystem. Ich arbeite sozusagen Tag und Nacht und hole Schlaf nach, wenn es sich ergibt. Sie kennen mich ja, immer nur arbeiten und keine Freizeit.«
»Sie sollten öfter mal rausgehen, Randy.«
»Raus? Was ist das?«
»Soll ich noch mal zurückrufen? Wenn Sie richtig wach sind?«
»Nein, nein. Ich bin da. Ich muß sowieso aufstehen und weiterarbeiten. Was kann ich für Sie tun?«
Randy Pelkington war ein neunundzwanzigjähriger Australier, der nach New York gekommen war, als er elf war, aber er hatte seinen Akzent nie ganz verloren. Randys Eltern waren gute, aufrechte Vertreter der Mittelschicht – seine Mutter war eine Buchverlegerin, die von einer amerikanischen Firma engagiert und nach New York versetzt worden war, und sein Vater war Architekt, der, als er Schwierigkeiten hatte, in der Neuen Welt Aufträge an Land zu ziehen, Professor für Architekturgeschichte an der NYU wurde. Sie waren beide über die Maßen überrascht, als ihr Sohn, gerade fünfzehn, mit der örtlichen Polizei Probleme bekam. Es schien, als hätte Randy ein ganz spezielles Talent. Er war einer der ersten und besten Computerhacker, und er war, nur so zum Spaß, ins System des NYPD eingedrungen und hatte es, wie er es nannte, auf Vordermann gebracht. Als man ihn erwischte, war Randy darauf vorbereitet gewesen. Er hatte sämtliche von ihm geänderten Daten vorher auf Disketten gesichert und konnte daher alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Da Randy mit seinen Aktionen offensichtlich keine üblen Absichten verfolgt und das Ganze nur aus Neugier gemacht hatte, entschied ein kluger Angehöriger der Polizeibehörde, daß es eine bessere Alternative gab, als das junge Genie zum jugendlichen Kriminellen zu machen. Seine Strafe bestand darin, daß er ein Jahr Bewährung bekam und in dieser Zeit der Polizeibehörde beim Programmieren ihrer diversen Computer behilflich war. Am Ende des Jahres wurde Randy sofort von der Stadtverwaltung als Berater engagiert, um seine Arbeit fortzusetzen. Außerdem startete er, während er gleichzeitig die NYU besuchte, sein eigenes Unternehmen. Der größte Teil seiner Computerarbeit war nun gutgesinnt. Er beschrieb seinen Job als »reichen Leuten dabei behilflich sein, ihre Angst vor dem unbekannten elektronischen Universum zu überwinden«. Meistens ging er in die Häuser der Leute – Leute, die vorwiegend von ihrem Zuhause aus arbeiteten – und richtete Computersysteme für Schriftsteller, Architekten, Künstler und so weiter ein. Er lehrte sie, Windows und Windows-Anwendungen zu benutzen, und kam, um sie zu retten, wann immer sie glaubten, sie hätten irgend etwas Wertvolles in den unergründlichen Tiefen ihrer Computer verloren, oder wenn sie sich ganz einfach festgefahren hatten und nicht weiter wußten. Er richtete außerdem kleine Bürosysteme ein, und so hatte Jack ihn kennengelernt. Caroline hatte Randy engagiert, um ein System für die nationalen Jack’s-Restaurants zu installieren.
»Ich
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