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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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geworden. Dann ist sie wohl wieder zurückgelaufen. Er sah ein paar Wassertropfen auf dem Fußboden, die ins Badezimmer führten.
    Er begab sich in die Küche und stellte das chinesische Essen, das er mitgebracht hatte, auf die Anrichte. Sie hatte bereits Teller und Besteck bereitgelegt. Und eine runde Platte, eine rustikale, handgefertigte Töpferarbeit.
    Jack ging weiter ins Wohnzimmer und zur Badezimmertür und klopfte einmal. »Ich habe Hunger«, sagte er, erhielt aber keine Antwort.
    Nun kehrte er in die Küche zurück, suchte kurz in den Schubladen, fand einen großen Servierlöffel und begann die weißen Speisenbehälter zu öffnen. Das Essen war noch heiß, daher lud er alles auf die große Platte. »Zeit, aus der Wanne zu steigen!« rief er. »Das Essen ist noch warm, und ich sterbe vor Hunger!«
    Er hatte keine Ahnung, wo sie essen wollte, es gab keine Eßecke, daher dachte er, daß sie im Wohnzimmer speisen würden, auf den Sofas. Er trug die Platte hinaus und setzte sie auf einem kleinen lackierten Fichtenstumpf ab, der ihr offenbar als Couchtisch diente. Okay, dachte er, genug ist genug.
    Jack ging zum Badezimmer. Klopfte an die Tür, diesmal kräftig, und sagte: »Sie sind sauber genug! Lassen Sie uns endlich essen!« Auch diesmal keine Antwort, und jetzt spürte er etwas, hörte es auch, und er blickte hinunter auf seine Schuhe. Ein Wasserrinnsal trat unter der Badezimmertür hervor, wurde breiter und schneller. Es schlängelte sich in die Diele und kroch weiter zur Wohnungstür. »Leslee?« fragte er. Und dann öffnete er die Badezimmertür.
    Wasser strömte jetzt in einem dicken Schwall heraus, es stand zentimeterhoch auf dem Badezimmerfußboden. Die Badematte war triefnaß. Der Duschvorhang war geschlossen, aber dort, wo er das Wasser berührte, zusammengerafft und ein Stück zur Seite gezogen. Der Hahn war aufgedreht, und Wasser sprudelte in die volle Wanne, lief über den Rand, ergoß sich auf den Fußboden und breitete sich jetzt im Apartment aus.
    Jack holte tief Luft und zog den Duschvorhang auf.
    Leslee lag ausgestreckt im Wasser, nackt. Ihr Kopf ruhte halb auf dem Wannenrand. Ihr Haar war naß und strähnig. Ihr linker Arm lag angewinkelt auf dem Bauch. Der rechte Arm trieb neben ihr. Eine lange Injektionsspritze ragte aus ihrer Armbeuge. Jack konnte die Nadel, silbrig glänzend, unter Wasser erkennen.
    Ihr Mund war leicht geöffnet und verlieh ihrem Gesicht das vertraute schiefe Aussehen. Aber von einem Lächeln war nichts zu bemerken. Ihre Augen war weit aufgerissen, und er glaubte in ihnen das nackte Grauen zu erblicken.
    Jack verließ mit vorsichtigen Schritten das Badezimmer, ging in den Wohnraum, vorbei an der Platte mit Frühlingsrollen und Knoblauchhuhn und Nudeln mit Sesamsauce und scharf gewürzten Shrimps und Schalotten. Er steuerte direkt auf das Telefon zu und bat die Telefonistin, ihn mit dem 8. Polizeirevier zu verbinden, sprach kurz mit dem Sergeant vom Dienst und wurde dann mit Patience McCoy verbunden, die gerade auf dem Weg nach draußen war, um, schon wieder, mit ihrem Mann essen zu gehen.
    »Ich sagte Ihnen doch, daß Sie lieber einen triftigen Grund haben sollten, mich erneut zu belästigen, Jack«, fauchte sie.
    Er erklärte ihr, daß er einen hätte.
    Oder war ein Mord kein ausreichender Grund?

Vierzig
    Was tat er?
    Polizei spielen? Nach Hinweisen suchen? Mit Kids Freundinnen reden? Das Team suchen?
    Jack Keller war verrückt. Versuchte doch glatt, einen Mörder zu finden. Welchen Sinn hatte das? Welchen gottverdammten Sinn?
    Keinen.
    Was sollte das also? Warum ließ er nicht die Finger davon?
    Warum läßt er mich nicht in Ruhe? Warum will er noch immer mein Leben ruinieren?
    Warum warum warum warum warum warum warum?
    Er will beweisen, daß Kid ermordet wurde. Versucht, einen Mörder zu finden.
    Okay. Soll er es versuchen. Und vielleicht braucht er sich gar nicht so sehr anzustrengen.
    Vielleicht findet der Mörder ihn …

Einundvierzig
    Sgt. McCoys erste Handlung war, Jack den Rat zu geben, seinen Anwalt zu benachrichtigen. Das hielt er zuerst für unnötig, aber sie meinte, es wäre nötig, und bestand darauf, ehe sie auflegte.
    Jack hielt sich im Hintergrund, als das erste Polizeiteam erschien, dann, etwa eine halbe Stunde später, Sgt. Mc-Coy, dann eine Ambulanz mit Sanitätern, die Leslees Leiche auf einer Bahre wegtrugen. Jack schilderte alles, was geschehen war, Schritt für Schritt und erklärte, seit er die Leiche entdeckt hatte, habe er lediglich den

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