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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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ist, daß ich kaum atmen kann. Aber es gibt in dieser Sache kein Vielleicht. Das ist kein Vielleicht, Baby.« Während sie mit ihm flüsterte, streckte sie die Hand nach ihrer mit Perlen besetzten Handtasche aus. Sie griff hinein, zog etwas heraus, und Jack hörte plötzlich ein kurzes Klicken. Dann gewahrte er die lange, dünne Klinge, die sie in der Hand hielt. Er rührte sich nicht.
    »Wenn ich wollte, könnte ich Ihnen die Kehle durchschneiden, und wenn die Polizei käme, könnte ich einfach sagen, Sie hätten mich vergewaltigen wollen.« Während sie redete, spürte er ihren warmen Atem in seinem Gesicht, auf den Lippen und den Wangen. »Ich würde damit durchkommen. Wirklich. Wirklich und wahrhaftig.«
    Er sah, wie sie tief Luft holte, verfolgte, wie ihre Brust sich hob. Sie ließ eine Hand sinken, legte sie auf seinen Oberschenkel, die Hand mit dem Schnappmesser, und er spürte, wie er jetzt selbst die Luft anhielt, doch dann stieß sie sich von ihm weg. Schnell, mit der Behendigkeit einer Turnerin, war sie fort und berührte ihn nicht mehr. Vor ihm stehend, klappte sie das Messer zu und verstaute es wieder in ihrer Handtasche.
    »Vielleicht sollten Sie jetzt gehen«, sagte sie zu ihm.
    Er nickte, ließ sie nicht aus den Augen, ging langsam rückwärts, bis er die Wohnungstür erreichte. Seine Hand suchte den Türknauf, fand und drehte ihn. Dann war er draußen im Flur mit seinem roten Teppichboden.
    Er zwang sich, an nichts zu denken, bis er wieder auf die Straße hinaustrat. Und dann kam es ihm so vor, als stürzte das Leben wieder auf ihn ein.
    Und das wären schon zwei, dachte er.
    Zwei Frauen, die Kid mit Leichtigkeit vom Balkon gestoßen und sein Leben beendet haben könnten. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
    Warum um alles in der Welt tat sie das, fragte sie sich.
    Woher kam dieser übermächtige Drang, Männer zu verletzen?
    Oh, das weißt du ganz genau, dachte sie. Natürlich weißt du das. Aber das ist keine Entschuldigung. Jedem war schon mal etwas Schlimmes zugestoßen. Jeder wurde schon mal mißbraucht.
    Sie mochte ihn. Er war nett.
    Wirklich und wahrhaftig nett.
    Aber sie war hingegangen und hatte es schon wieder getan.
    Und jetzt würde sie ihre fünftausend Dollar wohl niemals zurückbekommen.

Neununddreißig
    »Ich denke, du solltest es jetzt abbrechen.«
    »Was soll ich abbrechen?«
    »Die ganze Sache«, sagte Dom. »Es wird zu verrückt. Frauen von Mafiabossen, Typen, die, als Cowboys verkleidet, auf einer Bühne tanzen, nackte Stripperinnen, die mit Messern auf dich losgehen. Ich denke, es ist an der Zeit aufzuhören.«
    »Darf ich dir mal was erzählen, Dom? Ich meine, etwas, das du am liebsten nicht hören würdest.«
    Der alte Mann sah seinen jüngeren Freund an, den Freund, der für ihn wie ein Sohn war, und erwiderte: »Es gibt nichts, was du mir erzählen könntest und das ich nicht hören will.«
    »Ich hatte eine Affäre, als Caroline noch lebte. Eine einzige. Das ist es. Es ist schon lange her, acht oder zehn Jahre. Als wir Jack’s in London eröffneten. Ich verbrachte sehr viel Zeit drüben, war ständig allein. Und … und und und … ich ging eines Abends mit ein paar Leuten aus dem Business aus. Wir wollten eine neue angesagte Adresse ausprobieren. Jemand, einer der Köche, brachte eine Freundin mit. Emma. Und Emma war außergewöhnlich attraktiv, lustig, jung … sehr jung … sie war toll, daher hatten wir ein Abenteuer. Sehr intensiv. Unglaublich leidenschaftlich.«
    »Eine Nacht?«
    »Fünf. Fünf aufregende Nächte. Drei nacheinander, dann nicht, dann konnten wir beide es nicht mehr aushalten, daher trafen wir uns am nächsten Abend und am übernächsten. Danach sah ich sie nie wieder.«
    »Warum nicht?«
    »Dom, du kannst dir nicht vorstellen, wie aufregend sie war. Sie hatte so etwas Besonderes an sich, sie hat dich regelrecht verschlungen. Aber ich entschied, daß ich mich nicht noch mehr aufgeben konnte, als ich es schon getan hatte. Tatsache ist, daß ich meine Frau liebte. Nicht nur das, wir waren glücklich. Und noch immer leidenschaftlich. Wir hatten überhaupt keine Probleme, und ich dachte, sie war so perfekt, wie eine Frau es nur sein konnte.«
    »Aber du hast trotzdem mit dieser anderen Frau weitergemacht.«
    »Richtig.«
    »Wußte sie es?«
    Jack mußte lächeln. Selbst jetzt, nach ihrem Tod, war Caroline für Dom noch immer »sie«. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ja, ich glaube, sie wußte es. Ich bin mir dessen sogar sicher. Eine

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