Icarus
Intermezzo mit dem Messer, und Bryan schüttelte bewundernd den Kopf. »Sie sind ja der reinste Columbo«, stellte er fest. »Und was jetzt?«
»Das weiß ich noch nicht genau«, gab Jack zu. »Ich werde versuchen, die nächste zu finden, denke ich. Oder ich sehe zu, daß ich noch mehr über Leslee in Erfahrung bringe. Die Entertainerin.«
»Glauben Sie, Leslee hat Kid getötet?«
»Keine Ahnung. Ich denke, daß sie ganz gewiß dazu fähig wäre.«
»Donnerwetter. Ich frage mich, wer sie ist«, sagte Bryan. »Ich bin mit Kid ziemlich regelmäßig in zwei von diesen Clubs gewesen. Und ich glaube, ich weiß, welchen Sie meinen. Verdammt, ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß es eins dieser Girls war, als Sie von der Entertainerin sprachen.« Er blickte auf die Uhr und runzelte die Stirn.
»Ich muß gehen. Das Hanson’s wartet. Aber wie ich schon sagte, Mr. Keller, ich würde Ihnen wirklich gern helfen. Wenn sie mich brauchen, rufen Sie mich an.« Und während er auf den Fahrstuhl wartete, sah er Jack wieder an und schüttelte abermals den Kopf und sagte: »Ich glaube, ich sollte Sie von jetzt an nur noch Columbo nennen.«
Um vier Uhr nachmittags klingelte Jacks Telefon. Als er den Hörer nach dem dritten Klingeln aufnahm, hörte er die Stimme einer Frau: »Hi.« Zu seiner Überraschung erkannte er die Stimme sofort. Er antwortete nicht, sondern hielt nur den Hörer ans Ohr.
»Hier ist Leslee«, sagte die Stimme jetzt. Und mit einem Kichern: »Die Entertainerin.«
»Was wollen Sie?« fragte Jack.
»Sehen Sie«, sagte sie, »ich weiß, daß das, was ich getan habe, unglaublich dumm war. Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte, und es tut mir wirklich und wahrhaftig leid.«
»Woher haben Sie meine Telefonnummer?« fragte er.
»Ich bin auch eine große Detektivin«, sagte sie. »Sie stehen im Telefonbuch.« Und nach einer Pause: »Ich weiß, daß Sie es eigentlich nicht wollen, aber ich möchte, daß Sie heute abend in meine Wohnung kommen. Ich muß heute nicht arbeiten. Ich kann uns etwas zum Abendessen kochen. Nun, eigentlich kann ich das nicht, ich bin die schlechteste Köchin der Welt, es sei denn, Sie mögen frijoles , aber ich kann chinesisches Essen bestellen. Ich lade Sie ein.«
»Warum?« wollte er wissen.
»Weil ich, nachdem Sie gegangen waren, ein wenig nachgedacht habe. Dabei erinnerte ich mich an einige Dinge über Kid. An Dinge, die ich gehört habe, Dinge, die er sagte.«
»Zum Beispiel was?«
»Ziemlich verrücktes Zeug, das Ihnen vielleicht weiterhelfen kann. Ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat, aber ich würde es Ihnen lieber persönlich erzählen.« Als er sich nicht äußerte, fügte sie hinzu: »Ich sage Ihnen was. Ich werde etwas tragen, das absolut nicht sexy ist, und ich lege keine Musik auf und werde auch nichts trinken. Und ich lege mein kleines Messer draußen vor die Tür, so daß Sie es sehen können, wenn Sie heraufkommen. Was wollen Sie mehr?«
Tja, was könnte ich mehr wollen, dachte er. Aber er sagte: »Wann?« Und als sie ihm antwortete, um acht, sagte er auch: »Ich bringe das chinesische Essen mit.«
Zuerst antwortete sie nicht auf das Klingeln, und Jack wurde wütend, weil er glaubte, sie wäre nicht zu Hause und würde nur seine Zeit vergeuden. Er probierte die Haustür, aber wie erwartet, war sie verschlossen. Ein weiteres Mal drückte er auf den Klingelknopf, eigentlich ohne Hoffnung, und diesmal betätigte sie, sehr kurz, den Summer, und Jack stieß die Tür zu dem Ziegelbau auf und stieg die dunkelrote teppichbelegte Treppe hinauf.
Als er den Absatz der dritten Etage erreichte, machte er zwei Schritte auf ihre Wohnungstür zu und erblickte ihr Schnappmesser. Es lag auf dem Teppich auf einem Bogen linierten gelben Kanzleipapiers. Er hob es auf, drehte es zwischen den Fingern und nahm auch den Zettel, um die Nachricht darauf zu lesen. Er bemerkte, daß das Papier an der rechten oberen Ecke feucht war. Ein paar Tropfen Wasser hatten es wellig werden und eine der Zeilen verlaufen lassen. Die sorgfältig handgeschriebene Nachricht war nur kurz: Es ist offen. Kommen Sie herein.
Jack setzte einen Fuß über die Schwelle, rief »Hallo!«, erhielt aber keine Antwort. Er machte einen weiteren Schritt und schloß die Tür hinter sich. »Leslee?« sagte er. Sie reagierte noch immer nicht, aber dann hörte er das Rauschen von Badewasser.
In der Badewanne, dachte er. Sie muß hinausgelaufen sein, um den Zettel hinzulegen, und dabei ist das Papier naß
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