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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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sich ein wenig wand, weil ihr die Situation unangenehm war, doch sie sagte nur: »Ich war verreist.«
    Die Frau äußerte nichts darauf, nahm nur ihren Teller und verschwand in einem anderen Raum hinter der Bar.
    »Überrascht?« wollte Grace von Jack wissen, ohne ihn anzusehen. Als er nichts erwiderte, sagte sie: »Ich habe es Ihnen gesagt. Jeder hat Geheimnisse. Und dies war mal eins von meinen.«
    »Es war mal eins?«
    »Mmm-mmm. Ich bin jetzt ein ganz normaler Arbeitssklave. Wir Überholspurkünstler können uns ein solches Leben nicht mehr leisten.«
    »Es kommt mir so vor, als wäre ich in eine leicht überdrehte Version der sechziger Jahr geraten. Oder in einen schlechten Sammy-Davis-Film.«
    »Hey, Drogen sind wieder in. Koks, Heroin, es ist alles wieder da. Sogar Speed. Etwas Gutes läßt sich nun mal nicht unterdrücken.«
    »Kid kam regelmäßig hierher?«
    »Ich weiß, daß er einmal hier war. Ich brachte ihn her. Ob er zurückkam, weiß ich nicht, aber es gefiel ihm, also ist es durchaus möglich. Ich dachte, es wäre einen Versuch wert.« Sie deutete auf die Barkeeperinnen. »Die beiden gehörten offenbar zu dem Typ, auf den er abfuhr.«
    »Hat er dieses Zeug genommen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Drogen? Machen Sie Witze? Er war ein absoluter Gesundheitsfreak. Aber er hielt sich gern an solchen Orten auf. Er fand es aufregend.«
    Ja, dachte Jack. Allmächtiger Gott, es war wirklich aufregend. Es fühlte sich verkommen und übel an, aber es roch nach Gefahr und Erotik, und Jack konnte bereits spüren, wie die Atmosphäre und die Musik allmählich von ihm Besitz ergriffen. Sein Herz schlug schneller, und in seinem Kopf entstand ein dumpfes Pochen. Das hier war Lichtjahre weit entfernt von der Welt seiner Restaurants, sogar noch weiter von der Isolation seines Apartments, und es machte ihm Angst. Aber es war gleichzeitig irgendwie berauschend. Genauso wie der kurze Blick auf den Oberschenkel der Totengräberin eine erhebende Wirkung gehabt hatte. Und der Moment, als die Entertainerin sich in ihrem Apartment rittlings auf ihn gesetzt hatte. Und …
    Er blickte hinüber zur Erfüllung. Zu Grace Childress. Sie beobachtete ihn.
    »Ich vermute, Sie und Kid haben mehr gemeinsam, als Sie jemals annahmen.« Mehr sagte sie nicht.
    Sie blieben und kamen dabei mit den Barkeeperinnen ins Gespräch. Keine der beiden träumte davon, Sängerin zu werden. Keine kannte Kid. Und als Jack Graces Hand ergriff, um ihr vom Barhocker zu helfen und mit ihr auf die Straße zurückzukehren, klammerte diese Hand sich diesmal an ihn, während ihre andere Hand sich leicht auf seinen Rücken legte. Dabei spürte er ihren Atem, der jetzt heftiger wurde.
    Sie besuchten noch zwei weitere Etablissements, als letztes einen Club namens Meyer’s unten auf der Lower East Side. Es war der, von dem Bryan Jack erzählt hatte, er wäre eins von Kids Stammlokalen gewesen. Beide Clubs waren ziemlich düster und wurden von pulsierender Musik beherrscht, beide waren mit durchtrainierten, gestylten Körpern und einer Atmosphäre sexuellen Ungestüms erfüllt. Aber in keinem der beiden stieß er auf eine eindeutig identifizierbare Verbindung zu Kid oder auf irgendeinen Hinweis darauf, daß sie dort die nächste Alias in Kids Team finden könnten.
    Es war bereits halb sechs Uhr morgens, als Jack Grace nach Hause brachte. Sie stieg aus dem Taxi, und da sie in keiner Weise zögerte, war klar, was sie erwartete. Sie ließ sich auf der obersten Stufe des drei Stufen hohen Aufgangs zum Gebäude nieder und sagte: »Es tut mir leid, daß das alles zu nichts geführt hat.«
    »Es dauert nun mal seine Zeit. Das ist schließlich keine Fernsehserie, in der alles ganz einfach ist und bereits beim ersten Versuch klappt.«
    »Jack«, sagte sie. »Sind Sie sicher, daß Sie weitermachen wollen?«
    »Gibt es einen Grund, warum ich das nicht tun sollte?«
    »Trauen Sie mir?« fragte sie.
    »Nicht ganz«, gab er zu. »Aber im großen und ganzen schon.«
    »Ich wollte Sie in mein Apartment einladen. Ich hatte auf etwas Positiveres gehofft.«
    »Trauen Sie mir?« fragte Jack.
    »Ja«, erwiderte sie. »Das tue ich.«
    »Dann erzählen Sie mir, was Kid Ihnen erzählt hat. Verraten Sie mir die Dinge, die Ihnen Angst gemacht haben.«
    »Mein Gott, ich wünschte, ich würde noch rauchen. Oder noch immer koksen. Was haben Sie übrigens mit Ihrem Kauf vor?«
    Jack griff überrascht in die Tasche und holte das kleine Päckchen Kokain hervor, das er erstanden hatte. Er ging ein

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